Es wird eng für DocMorris in Hüffenhardt. Nicht nur, dass die niederländische Versandapotheke in der baden-württembergischen Gemeinde keine Medikamente am Automaten mehr abgeben darf. Nun muss womöglich auch noch das Lager geräumt werden. Das Landgericht Mosbach (LG) hält die Vorratshaltung von Arzneimitteln am Standort jedenfalls für wettbewerbswidrig.
Vor dem LG hatten der Landesapothekerverband und drei Apotheker aus der Region gegen das Terminal geklagt. Sie erwirkten eine einstweilige Verfügung, mit der DocMorris untersagt wurde, Medikamente am Automaten abzugeben. Das Gericht sah das Modell nicht als Spielart des Versandhandels, da der Kunde davon ausgehen könne, das Medikament – wie in einer stationären Apotheke – direkt mitnehmen zu können.
Trotzdem gab das Gericht jetzt einem Antrag des Kölner Apothekers Erik Tenberken statt, der mit seiner Versandapotheke Fliegende-pillen.de als Konkurrent aufgetreten war. Das LG sah ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, da beide Parteien beabsichtigten, „Medikamente an Besteller aus Deutschland, gleichgültig aus welchem Ort diese stammen, zu versenden“.
Die Gründe, warum die Abgabe am Termin unzulässig und damit von Wettbewerbern abzumahnen ist, waren dieselben wie in den vorherigen Fragen. Tenberken hatte aber weitere Punkte angegriffen und damit ebenfalls recht bekommen: So sei auch die Lagerung von Arzneimitteln in derartigen Medikamentenabgabestellen wettbewerbswidrig, entschied das Gericht. Die Aufbewahrung zum Zwecke der anschließenden Abgabe der Arzneimittel habe in einer Apotheke oder im Wege des genehmigten Versandes zu erfolgen. DocMorris verfüge aber weder über einen Apothekenbetriebserlaubnis, noch liege Versandhandel vor.
Wettbewerbswidrig sei auch, dass auf dem Beleg über die Abgabe der Einverständniserklärung, auf dem auf der Verpackung aufgebrachten Etikett und auf dem Kassenbeleg nicht die Anschrift von DocMorris in den Niederlanden angegeben sei, sondern lediglich das Postfach „52098 Aachen“. Schließlich monierte das Gericht, dass auf dem Kassenbeleg über Ersparnisse informiert werde, ohne dass angegeben sei, worauf sich der vermeintliche Vorteil beziehe.
Das LG kritisiert in allen Entscheidungen zum Terminal, dass die Abläufe auch gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verstoßen. Nach den hier maßgeblichen Vorschriften sei der Apotheker verpflichtet, bei Unklarheiten die Verschreibung vor der Abgabe des Arzneimittels zu ändern, dies auf der Verschreibung zu vermerken und zu unterschreiben.
Weiterhin müssten jeder Verschreibung neben bestimmten Angaben das handschriftliche Namenszeichen des Apothekers oder des sonst befugt handelnden pharmazeutischen Personals hinzugefügt werden. Das Leisten einer solchen Unterschrift sei vor der Abgabe eines Medikaments durch den Medikamentenausgabeautomaten nicht möglich.
DocMorris hatte am 19. April in der baden-württembergischen Gemeinde seinen Abgabeautomaten eröffnet. Zwar ließ das Regierungspräsidium Karlsruhe das Terminal nach nur 48 Stunden wieder schließen, doch die Klage der Versandapotheke gegen den Bescheid hatte aufschiebende Wirkung bezüglich der OTC-Abgabe.
Im wettbewerbsrechtlichen Verfahren hatten auch drei Apotheker geklagt, die von der Noweda unterstützt werden. Obwohl deren Apotheken im Umkreis von 7 bis 15 Kilometern angesiedelt sind und eine Apotheke mit einer Rezeptsammelstelle sogar in Hüffenhardt vor Ort ist, wollte DocMorris von einer Konkurrenzsituation nichts wissen: Beim Gerichtstermin behaupteten die Vertreter, dass es einem Wettbewerbsverhältnis fehle. Mit dem Verweis auf die lokale Präsenz in Hüffenhardt argumentierten die DocMorris-Anwälte selbst gegen die Behauptung, es handele sich um eine Spielart des Versandhandels. Die Richterin gab den Apothekern recht.
Ende Juli steht noch eine weitere Entscheidung gegen die DocMorris-Tochter Tanimis an: Im ersten Prozess hatten die Vertreter von DocMorris zu Protokoll gegeben, dass die Versandapotheke nicht Mieter der Betriebsräume ist und dass ihr auch das Lager nicht gehöre. Da Tanimis also offenbar die gesamte Infrastruktur gehört, spricht aus Sicht des LAV viel dafür, dass die Tochterfirma ebenfalls auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen ist. Immerhin hatte nicht DocMorris, sondern das ebenfalls in Heerlen ansässige Unternehmen die Lagerung der Arzneimittel gegenüber dem Regierungspräsidium angezeigt.
LAV-Anwalt Dr. Timo Kieser von der Stuttgarter Kanzlei Oppenländer wollte nach dem ersten Verhandlungstermin auf Nummer Sicher gehen und beantragte auch gegen Tanimis eine einstweilige Verfügung. Schließlich wusste man damals noch nicht, ob DocMorris mit seiner Argumentation durchkommen würde.
Die Verfahren werden vermutlich ins Hauptsacheverfahren gehen, parallel läuft der verwaltungsrechtliche Streit mit dem Regierungspräsidium. Hier hatte DocMorris vor Kurzem einen Eilantrag auf Freigabe der Rx-Abgabe zurückgenommen.
Bei dem Streit in Baden-Württemberg geht es um nicht weniger als den Komplettumbruch des deutschen Apothekenmarktes. Wenn das Modell durchkommt, könnten genauso gut Mitarbeiter eines Drogeriemarkts oder Discounters als „menschliche Maschinen“ die Ware aus dem Lager holen und der pharmazeutischen Kontaktperson am Videobildschirm zur Kontrolle vorlegen. Auch der Apothekenbus könnte in einem solchen Szenario wieder aus der Garage gefahren werden.
Die Apothekenpflicht wäre dann nur noch Makulatur – dann ginge es nicht mehr um Fragen wie „Eindruck einer Apotheke“, „ordnungsgemäße Versorgung“ oder „Betriebserlaubnis“. Die Apothekenbetriebsordnung würde komplett in den virtuellen Raum verlagert, in irgendeinem Rechenzentrum der Telekom verpuffen. Eine einzige Offizin an der deutsch-holländischen Grenze würde ausreichen, um flächendeckend – im ersten Schritt! – apothekenpflichtige Medikamente verkaufen zu können.
Das Fremdbesitzverbot hätte in einem solchen Szenario natürlich auch ausgedient. Wenn der angestellte Apotheker einer niederländischen Kapitalgesellschaft per Videoschaltung Medikamente zwischen Toilettenpapier und Kloreiniger freigeben darf, dann braucht es auch keine inhabergeführten Apotheken mehr.
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