Arvato will Apotheken beliefern Patrick Hollstein, 11.12.2008 15:19 Uhr
Der zum Bertelsmann-Imperium gehörende Dienstleistungskonzern Arvato drängt mit offensiven Angeboten für Pharmahersteller in den Arzneimittelvertrieb. Die aktuelle Diskussion um Exklusivvertriebsmodelle (Direct to pharmacy, DTP) könnte der Logistiksparte „AS Healthcare“ den Einstieg in einen weitgehend verteilten Markt erleichtern. Entsprechend aktiv bringt sich der Konzern derzeit in die Neugestaltung der Apothekenbelieferung ein: Von Abverkaufsdaten bis Patientenmarketing - gegenüber Konzepten, die so manchen vollsortierten Großhändler nervös zurückschrecken lassen, gibt sich Arvato betont aufgeschlossen.
Gegenüber APOTHEKE ADHOC gab Dr. Thorsten Winkelmann, Geschäftsführer der Arvato Distribution GmbH, einen Einblick in das Serviceportfolio der Bertelsmann-Tochter. Demnach ist der Konzern bereit, gegen Gebühr alle Marketing- und Vertriebsaktivitäten inklusive Lagerhaltung, Kundenbetreuung und Rechnungslegung für Pharmahersteller zu übernehmen.
Man versteht sich nicht als Händler, sondern als Dienstleister und vertritt insofern die Interessen der Pharmariesen: So sieht Winkelmann im Exklusivvertrieb weit mehr als nur eine Möglichkeit, die Lieferwege transparent zu machen und dadurch den Parallelhandel mit Arzneimitteln einzuschränken. „Durch DTP ist eine Absatzsteigerung von 3 bis 5 Prozent zu realisieren“, so Winkelmann.
Das Prinzip ist schlicht: Rabatte, die bislang durch die vollsortierten Großhändler weitgehend sortimentübergreifend an die Apotheken ausgeschüttet werden, sollen nach Umstellung auf DTP individuell im Rahmen einer „Kundenseqmentierung“ kalkuliert werden. Auf Grund der direkten Geschäftsbeziehung hätten Hersteller die Möglichkeit, ihr Produkt „im Einkaufskalkül des Apothekers gezielter und besser zu positionieren“, wirbt Arvato. Die notwendigen produktspezifischen und apothekengenauen Abverkaufsdaten will der Konzern den Herstellern nach Auswertung zur Verfügung stellen. „Leistungsrabatt“ nennt Winkelmann den nicht unumstrittenen Ansatz.
Doch die Angebotswelt von Arvato, als Betreiber beispielsweise der Deutschlandcard oder von Kundenbindungsprogrammen der Lufthansa oder der Barmer längst Experte in Sachen Customer Relation Management (CRM), geht wesentlich weiter: Anhand der Daten aus den Apotheken bietet der Konzern auch eine gezielte Ansprache der Patienten an. Man führe bereits Gespräche mit Apothekern, Ärzten und Patientenvertretern, so Winkelmann.
Natürlich ist man angesichts solcher Pläne bei Arvato um eine gute Beziehung zu den Apotheken bemüht: Neben mindestens zwei Lieferungen pro Tag soll eine einfache Abwicklung, gepaart mit entsprechenden finanziellen Anreizen, die Pharmazeuten bei der Stange halten.
Unabhängig davon, wie man das Arvato-Szenario bewerten mag - in anderen Branchen hat die Bertelsmann-Tochter längst ähnliche Ansätze realisiert. Die „Infrastrukturkompetenz“ ist laut Winkelmann ebenso vorhanden wie die Erfahrung mit Übernacht-Belieferungen und Kühlketten. Als Pharmalogistiker managt das Unternehmen in verschiedenen Ländern bereits seit 2003 die Auslieferung der Produkte des Herstellers Biogen Idec an Apotheken. Auch deutsche Apotheken erhalten laut Winkelmann bereits heute ihre Direktbestellung zum Teil aus Harsewinkel.
In Deutschland könne Arvato innerhalb von drei bis vier Monaten ein entsprechendes CRM-System entwickeln; der Aufbau eines flächendeckenden Niederlassungsnetzes sei innerhalb eines Jahres zu bewältigen, so Winkelmann. Dabei sei kein eigener Fuhrpark vorgesehen, sondern die Zusammenarbeit mit Express- und Paketdiensten. Noch dürften einige offene Fragen - Finanzierung, mögliche Kooperationspartner - die Bertelsmann-Tochter am flächendeckenden Einstieg in den Pharmavertrieb hindern. Für die Großhändler könnte Arvato jedoch sicherlich schnell zur ernst zu nehmenden Größe werden.