Nach dem dm-Urteil und den Expansionsankündigungen der Drogeriemarktkette drehen zwei Apotheker aus Nordrhein-Westfalen den Spieß nun um: Parallel zu ihrem normalen Apothekengeschäft betreiben die Brüder Dr. Thomas und Dr. Andreas Winterfeld seit April in ihren sechs deutschen Filialen Rezeptsammelstellen. Die Belieferung erfolgt aus einer niederländischen Apotheke, die die Winterfelds in Dinxperlo, einem Ort nahe der deutschen Grenze, gegründet haben. Patienten können ihre Bestellung in den deutschen Präsenzapotheken aufgeben und am nächsten Tag die aus den Niederlanden bezogenen Arzneimittel dort abholen. Während die Betreiber ihre Geschäftsidee als zukunftsweisende Alternative zum Versandhandel sehen, haben Kritiker rechtliche Bedenken.
Die Gründung der niederländischen Apotheke sei eine Reaktion auf die ungleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen der deutschen Präsenzapotheke und ausländischen Versendern, erklärte Dr. Andreas Winterfeld gegenüber APOTHEKE ADHOC. Das Modell solle die Beratung vor Ort mit den günstigen Preisen einer holländischen Apotheke kombinieren. Für OTC-Produkte gewährt die niederländische Filiale einen Rabatt von 20 Prozent, verschreibungspflichtige Präparate erhalten Privatpatienten 10 Prozent günstiger. Kostet ein Arzneimittel mehr als 100 Euro, fällt die Zuzahlung für Kassenpatienten komplett weg. Bei einem geringeren Preis müssen die Kunden die Hälfte des hierzulande fälligen Betrags zahlen. Nach Winterfelds Auffassung ist dies möglich, da sich niederländische Apotheken nicht an die in Deutschland gesetzlich festgeschriebenen Preise halten müssen.
Die Wettbewerbszentrale in Bad Homburg bewertet die Sachlage offenbar anders: Dort sieht man in dem Modell einen Verstoß gegen die in Deutschland geltende Arzneimittel-Preisverordnung sowie gegen die Regeln des fairen Wettbewerbs. Auch niederländische Apotheken müssen sich nach Ansicht der Behörde an die vorgeschriebenen Preise halten. Die Zentrale bereitet derzeit eine Klage gegen die Winterfelds vor.
Auch die Apothekerkammer Nordrhein schätzt das Modell als „nicht rechtens“ ein. Geschäftsführer Dr. Franz-Josef Schulte-Löbbert zweifelt an der Existenz der ausländischen Niederlassung: „Wir haben bei der angegebenen Adresse in Dinxperlo keine Apotheke vorgefunden“, sagte er gegenüber APOTHEKE ADHOC. Zudem habe die Kammer die Staatsanwaltschaft Köln über einen möglichen Rezeptbetrug informiert, bei dem einem Privatpatienten der höhere deutsche Preis quittiert, der niederländische jedoch kassiert wurde. Auch die Klärung der Frage, inwieweit ein „Shop in Shop-System“ mit der Apothekenbetriebsordnung vereinbar sei, stehe noch aus.
APOTHEKE ADHOC Debatte