Rezeptabrechner schmieden eigene Lobby Alexander Müller, 30.01.2018 10:06 Uhr
Rezepte sind die rosa Währung der Apotheker. Entsprechend wichtig sind die Apothekenrechenzentren, die die Abrechnung mit den Krankenkassen übernehmen. Die Dienstleister möchten ihre Interessen künftig in Eigenregie vertreten: Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC werden sie zeitnah einen eigenen Bundesverband gründen.
Die Rezeptabrechnung zählt zu den wichtigsten Dienstleitungen in der Apotheke. Denn die meisten Inhaber erwirtschaften den Großteil ihres Umsatzes mit den Krankenkassen. Hier sind Fristen einzuhalten und unzählige Formalitäten zu beachten. Die Anforderungen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, glaubt man den Rechenzentren. Mit der Einführung des elektronischen Rezepts steht eine neue große Herausforderung bevor.
Diese aufregenden Zeiten wollen die Abrechner aktiv mitgestalten. APOTHEKE ADHOC liegt der Entwurf einer Satzung des VDARZ – Bundesverbandes Deutscher Apothekenrechenzentren vor. Dem Vernehmen nach wollen namhafte Rechenzentren dem Verein beitreten, NARZ, ARZ Haan, ARZ Darmstadt, RBA (Berlin) und AvP. Die VSA steht dem Ganzen eher skeptisch gegenüber. Mitmachen können theoretisch alle Abrechner. Etwa zwei Dutzend Firmen sind im Markt aktiv, wobei die großen das Geschäft weitgehend unter sich aufgeteilt haben.
Der Verein mit Sitz in Berlin soll die Interessen der Rechenzentren gegenüber dem Gesetzgeber vertreten, aber auch gegenüber den „berufsrechtlichen und wirtschaftlichen Interessenvertretern der deutschen Apotheken“ sowie anderen Lobbygruppen und Verbänden im Gesundheitsmarkt. Das heißt: Die Rechenzentren möchten künftig auch gegenüber dem Deutschen Apothekerverband (DAV) als Einheit auftreten. Derzeit vertritt der DAV in Verhandlungen die politischen Angelegenheiten der ohnehin zum Teil standeseigenen Rechenzentren.
Und genau das macht das Vorhaben auch etwas heikel. Dem Vernehmen nach waren die Verantwortlichen bei der ABDA nicht besonders begeistert von dem Unabhängigkeitsstreben der Rechenzentren. Es geht den Rechenzentren nach eigenem Bekunden aber gar nicht darum, etwas gegen den DAV aufzubauen. Sie möchten nur Strukturen schaffen, damit bei maßgeblichen Änderungen ein Vertreter aus ihren Reihen mit am Tisch sitzt. Denn in der Vergangenheit hätten sich die Abrechner manches Mal eine engere Einbindung gewünscht.
Dass sich vor allem die standeseigenen oder zumindest den jeweiligen Landesapothekerverbänden nahe stehenden Anbieter die Entscheidung nicht leicht gemacht haben, verrät die lange Vorlaufzeit: Angeblich gab es schon vor zwei Jahren am Rande des DAV-Wirtschaftsforums eine Annäherung. Doch damals haben sich nicht alle getraut. Auch diesmal gab es Bedenken, man könne sich politisch zu weit aus dem Fenster lehnen.
Und Skeptiker in den Reihen der Rechenzentren gibt es noch immer. Vor allem bestehen Zweifel an der politischen Schlagkraft des Verbandes. Es erscheint sehr fraglich, ob etwa der GKV-Spitzenverband in direkte Verhandlungen mit dem VDARZ treten würde. Laut Sozialgesetzbuch verhandeln die Kassen mit den maßgeblichen Verbänden der Apothekerschaft. So hat der GKV-Spitzenverband unlängst die Hilfstaxe mit dem DAV verhandelt und nicht mit dem Verband der Zystostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), dessen Expertise der DAV freilich hinzuzieht. So könnte man sich das beim VDARZ auch vorstellen.
Der Verein könnte die Gesellschaft für zentrales Datenmanagement und Statistik im Gesundheitswesen (GDSG) ablösen, in der die standeseigenen Apothekenrechenzentren bereits zusammengeschlossen waren. Hier waren alle privaten Anbieter allerdings poer Satzung ausgeschlossen.
Beim VDARZ mitmachen dürfen nur Apothekenrechenzentren. Die zunächst vorgesehene Umsatzschwelle von einer Million Euro wurde als Hürde wieder gestrichen – sie hätte ohnehin nur Selbstabrechner ausgeschlossen. Dafür soll eine Klausel eingefügt werden, dass Schwestergesellschaften in einer Konzernstruktur oder Subdienstleister nur eine gemeinsame Stimme haben. Ein kleiner Anbieter hat damit das gleiche Stimmrecht wie zum Beispiel NARZ/AVN. Aus den Reihen der Mitglieder sollen ein Vorstandsvorsitzender und zwei weitere Vorstandsmitglieder gewählt werden.
Der Satzungsentwurf sieht „die kritische Kommentierung und konstruktive Begleitung von allen Veränderungen der für die Prozesse in Apotheken relevanten Regeln und Rahmenbedingungen des deutschen Gesundheitswesens“ vor und „die selbsttätige Standardisierung und Normierung sowie die aktive Mitarbeit bei der Telematik im Gesundheitswesen“. Die Einführung von E-Health-Anwendungen und hier insbesondere das elektronische Rezept und dessen Anwendungen stehen im Fokus.
Die Mitglieder wollen regelmäßig Meinungen, Erfahrungen und Fachwissen austauschen, aber auch nach außen aktiv werden: „permanente Kontaktpflege“, „Unterrichtung und Beratung“, sowie „Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit“ stehen als Zwecke in der Satzung.
Die Rechenzentren wollen sich einmal jährlich im ersten Quartal zur Mitgliederversammlung treffen und zusätzlich bei akutem Bedarf. Sie genehmigt Haushaltsplan und Jahresrechnung, setzt den Beitrag fest (zunächst 1000 Euro pro Geschäftsjahr), wählt die Vorstandsmitglieder und den Kassenprüfer und ist für Satzungsänderungen sowie Aufnahme und Ausschlüsse von Mitgliedern zuständig.