Mit Schokolade auf Kundenfang Lothar Klein, 14.06.2017 09:58 Uhr
Der Markt der Rezeptabrechnung ist hart umkämpft. Seit Jahren sinken Preise und Margen, der Revierschutz bröckelt. Mit Marketingaktionen versuchen die Apothekenrechenzentren, sich gegenseitig die Kunden abzujagen. Besonders aktiv war in jüngster Zeit das ARZ Darmstadt, die Nummer 4 am Markt. Mit einer aufwendigen Marketingaktion gerichtet an knapp 700 potenzielle Kunden machten die Darmstädter auf sich aufmerksam – das hat aber nicht jedem gefallen.
Apotheker Johannes Berlitz staunte vor Kurzem nicht schlecht, als der Briefträger mit einen unfrankiertem Päckchen in seiner Apotheke Reinhardshausen auftauchte. Das Päckchen sah aus wie eine Buchsendung. Nicht nur die Briefmarke, auch der Absender fehlte. 4,60 Euro Nachgebühr verlangte der Postbote. Da Berlitz eine wichtige Lieferung nicht ausschließen konnten, zahlte er den Betrag und ärgerte sich sofort.
Denn statt pharmazeutischem Inhalt fand der Apotheker drei kleine Tafeln Schokolade – nett eingepackt – und mehrseitiges Werbematerial vom ARZ Darmstadt. Dort hatte Berlitz früher einmal seine Rezepte abrechnen lassen. Mit dem in diesem Einzelfall verunglückten Mailing wollten die Darmstädter ihren alten Kunden eigentlich zurückgewinnen. Daraus wird nun wohl erst mal nichts.
Lange angehalten hat der Ärger von Berlitz allerdings nicht. Die Marketingabteilung entschuldigte sich, brachte 4,60 Euro persönlich nach Bad Wildungen und dazu noch zwei Flaschen Chardonnay. So wichtig nehmen die Rechenzentren inzwischen ihre Kundschaft. Das war nicht immer so.
„Das ist schon eine neue und aufwändige Form des Marketings“, heißt es dazu bei ARZ Darmstadt. Neben dem Anschreiben liegt dem kleinen Paket ein weißes Pappkästchen mit der Aufschrift „Probieren Sie doch mal...“ bei. Wer der Anregung folgt, findet im Inneren drei in farbiger Verpackung eingehüllte Täfelchen Lindt-Schokolade. Die unterschiedlichen Farben mobilisieren die drei Bereiche ARZ (Rezeptabrechnung), Cida (Apothekensoftware) und M+P Finacial Sercice.
Auf einer weiteren Textseite erläutert das Rechenzentrum, warum es Berlitz und seine Kollegen gerne wieder mal persönlich aufsuchen möchte. Auch Sofortgeld gebe es bei ARZ Darmstadt zu „leckeren Konditionen“, heißt es verführerisch. Und an der Cora-Software könne der Apotheker gerne einmal „schnuppern“. Bei Berlitz hat das nichts gebracht. Ob die Marketingaktion bei anderen kontaktierten Apothekern verfängt, lässt sich noch nicht beantworten. Die Kampagne läuft noch. Erste persönliche Gespräche wurden aber nach Angaben des ARZ Darmstadt vereinbart.
Diese Marketingaktion wirft ein Schlaglicht auf die Härte des Wettbewerbs unter den Rechenzentren. Auch Dr. Güldener, ein privater Anbieter mit Schwerpunkt jenseits der Apotheken aus Stuttgart, hat seine Aktivitäten ausgeweitet. Das Rechenzentrum hat sich dazu in den vergangenen Monaten personell neu aufgestellt: Seit Juli 2016 verantwortet Fabian Meier den Bereich Marketing und Vertrieb. Meier war zuvor beim Großhändler Gehe für die Kooperation Gesund leben zuständig. Und seit Anfang des Jahres ist Jochen Pfänder ist beim Rechenzentrum in der Geschäftsleitung zuständig für den Apothekenmarkt.
Erste Veränderungen sind schon zu sehen: So hat Güldener zuletzt das eigene Kundenportal auf Vordermann gebracht. Demnächst soll es zusätzliche Angebote für die Kunden geben, auch für Apotheken. Deswegen ärgert es Pfänder und Meier sehr, dass Wettbewerber unter Apothekern das Gerücht verbreiteten, Güldener nehme keine Neukunden mehr auf.
Insgesamt 45.000 Kunden, vor allem aus dem Bereich der sonstigen Leistungserbringer, lassen bei Güldener abrechnen, darunter 650 Apotheken. Dazu verfügt das Rechenzentrum nach eigenen Angaben auch über eine sehr gute Hilfsmitteldatenbank mit den aktuellen Verträgen. Güldener will sich nicht auf eine Preisschlacht mit den anderen Rechenzentren einlassen. Bei den Gebühren sei das Ende der Fahnenstange ohnehin erreicht. Der Wettbewerb müsse über neue Leistungen für die Apotheken stattfinden, etwa bei der Rezeptvorabprüfung.
In der jüngeren Vergangenheit war Güldener tatsächlich wenig aktiv im Außendienst. Das mag mit dem Besitzerwechsel zusammenhängen: Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank hatte von der Gründerfamilie wesentliche Anteile übernommen. Die Präsenz im Markt soll mit den neuen Köpfen an der Spitze jetzt wieder ausgebaut werden. Der Vertrieb soll sich das Bundesgebiet in vier bis sieben Regionen aufteilen und verstärkt werden. Historisch bedingt zählen Frankfurt, Hamburg, Berlin und Stuttgart zu Hochburgen des Rechenzentrums.