So viel Frust und schlechte Laune konnte man aus einem MVDA-Präsidentenbrief selten herauslesen: Unter dem Titel „Arzneimittelversorgung auf Pfandautomaten-Niveau“ lassen MVDA-Präsidentin Gabriela Hame-Fischer und ihr Vize Dr. Holger Wicht ordentlich Dampf ab. Von DocMorris über die untätige Verwaltung bis hin zur FDP bekommen alle ihr Fett weg. Gleichzeitig legt die Kooperation eine Kehrtwende hin und macht sich für einen regionalen Versandhandel als Ergänzung eines qualifizierten Botendienstes stark. „Linda 24/7“ lässt grüßen.
„Nachdem wir dieses unsägliche Hick-Hack um das Rx-Versandverbot und damit ein Beispiel für Wahlkampf mit Schwerpunkt auf ‚Kampf‘, aber dies ohne ‚Sinn und Verstand‘, erleben durften, fühlen wir uns veranlasst, unseren Unmut – wenn auch emotional gefärbt – über die aktuelle Sachlage kundzutun“, beginnen Hame-Fischer und Wicht ihren Brief an die Kollegen.
Los geht es, wie könnte es anders sein, mit dem DocMorris-Automaten in Hüffenhardt. „Der pharmazeutischen Kompetenz wird mit einem Shop-Manager Rechnung getragen und ein Apotheker sitzt in Holland an einem ‚Freigabe-Knöpfchen‘. Da steigt einem als Heilberufler dann doch der Blutdruck!“ Das Schlimmste aber sei, dass weder Politik noch Verwaltung bisher in der Lage gewesen seien, diesen Automaten dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen. „Die Apothekenpflicht lässt grüßen! Irgendwann sollte sich die Politik festlegen, über was sie reden und noch viel wichtiger, was sie regeln möchte.“
Man wünsche sich „deutlich mehr Blick über den Tellerrand und etwas mehr Weitsicht als bis zum Wahltag“. Denn schließlich seien die Volksvertreter dem Wähler verpflichtet und von ihm beauftragt, für sein Wohl zu sorgen – jenseits aller Parteigrenzen. „Klare Regelungen und Gesetze tun jetzt not.“ Eine Versorgung auf ‚Pfandautomaten-Niveau‘ zu akzeptieren, erscheine fahrlässig, ja gar gemeingefährlich angesichts von tausenden Arzneimitteltoten jährlich, so Hame-Fischer und Wicht. „Trotzdem scheint man ein sicheres Versorgungssystem auf dem Altar des Wahlkampfes opfern zu wollen – und den Wähler gleich mit.“
Arzneimittel – und zwar auch rezeptfreie – seien keine Massenware. Die erforderliche Beratung könne am besten der über Jahre bekannte und vertraute Apotheker erbringen. „Denn nachhaltig wirksame Beratung setzt Vertrauen voraus.“ Dies könnten Versandapotheken nur schwerlich leisten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Playern denke der MVDA aber nicht in „Schwarz oder Weiß“: „Langfristig werden wir zur flächendeckenden Versorgung der Patienten eine Art Versand brauchen“, schreiben Hame-Fischer und Wicht. „Dieser sollte aber nur aus den regional niedergelassenen, vollversorgenden Apotheken heraus als Ergänzung eines qualifizierten Botendienstes zugelassen sein. Nur Apotheken, welche die ganze Palette der geforderten Dienstleistungen zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung vorhalten […] sollten dazu auch die Berechtigung bekommen.“ Als Beispiele genannte werden Notdienstbereitschaft, Notfalldepot, Vorrat zur Versorgung in Krisenfällen, Vorhaltung von Kapazitäten für Rezeptur und Defektur, BtM-Versorgung – allesamt übertragene „hoheitliche Aufgaben“.
Wie ein solches Modell aussehen beziehungsweise wie eine sinnvolle Grenze gezogen werden könnte, verrät der Präsidentenbrief nicht. Denkbar, dass mit dem Vorschlag vor allem dem eigenen Vorbestell- und Lieferkonzept „Linda 24/7“ Rechnung getragen werden soll. Mittelfristig sehe man jedenfalls den Bedarf für eine klare Regulierung der Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, heißt es weiter. „Damit die Politik ihre Hausaufgaben erledigen kann, benötigt sie Zeit. Einen wertvollen Zeitgewinn kann ein kurzfristiges Rx-Versandverbot bringen.“
Das System der Mischkalkulation durch „gnadenlose Rosinen-Pickerei“ – also Versand von lukrativen Arzneimitteln ohne Erfüllung der sonstigen Aufgaben – ins Wanken zu bringen, könne und dürfe nicht gelingen. „Am Ende kostet jedes Ersatzsystem zur Sicherstellung der übrigbleibenden Versorgungsaufgaben ein Vielfaches mehr und ist schlechter.“
Das erprobte und bewährte System der Arzneimittelversorgung dürfe deshalb nicht ohne Not aufs Spiel gesetzt werden. „Vielmehr gilt es, dieses System zu erweitern, der Landflucht und dem demographischen Wandel anzupassen und dabei auch und gerade auf die Potentiale einer flächendeckenden Apothekenlandschaft zurückzugreifen. Denn was uns klar ist, muss der Politik offensichtlich nachdrücklicher verdeutlicht werden: Wenn eine Landapotheke schließt, ist sie weg und kann hier nicht mehr helfen!“
Und dann ist noch die FDP dran: Das Zündeln dieser „einzelnen kleinen Partei“ falle in die Kategorie „gefährlich und klientelgesteuert“. „Wieder einmal wird der Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes zum Wahlprogramm erhoben in der Hoffnung auf Aufmerksamkeit um jeden Preis, denn um die Sache kann es ja nicht gehen. Bleibt unsererseits zu hoffen, dass der mündige Wähler die Intention erkennt und diesen Politikern die Quittung für so viel Servilität gegenüber internationalen Großkonzernen am Wahltag präsentiert.“
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