Apothekenkooperationen

MVDA bläst zur ABDA-Treibjagd

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Berlin -

Seit Jahren nimmt sich der Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA) vor, in der politischen Debatte lauter zu werden. Zwar wurde das Berliner Büro von Linda im vergangenen Jahr wieder geschlossen, aufgegeben ist das Feld aber keinesfalls. Im Gegenteil: In einem Positionspapier gibt der MVDA seine Pläne für die politische Arbeit vor – und will die ABDA vor sich hertreiben oder sich sogar als Alternative anbieten. Am Markt sollen sich die Linda-Apotheken über Selektivverträge und ein gesteuertes Personalprogramm durchsetzen.

Mit 2700 Mitgliedern und inklusive Filialen 3500 Apotheken versteht sich der MVDA als „bundesweit zweitgrößte Apothekerorganisation“. Dennoch sehe man sich derzeit nicht als Vertragspartner bei der rahmenvertraglichen Organisation der Arzneimittelversorgung, heißt es im Positionspapier. Das „derzeit“ steht kursiv, das ist die erste Drohung in Richtung Jägerstraße.

Denn „die eine Interessenvertretung“ gebe es nicht mehr. Und mit der Arbeit ihrer Standesvertretung sei die Apothekerschaft zunehmend unzufrieden, konstatiert der MVDA. Mit Blick auf die eigene Satzung und die aktuelle Situation der Apotheken müsse sich die Kooperation selbst mit den relevanten politischen Themen der Vot-Ort-Apotheken befassen, Positionen artikulieren, verbreiten und gegenüber Dritten entschlossen vertreten.

Die ABDA verharrt aus Sicht des MVDA in ihrer „konservativ aufgestellten Standespolitik“. Zeitgemäß sei das nicht mehr, da mit dem Rx-Versandhandel der ordnungspolitische Systembruch bereits eingeleitet sei. „Ein Rückfallen in die Ausgangslage ist undenkbar geworden“, so der MVDA. Die Realität habe das tradierte Idealbild vom abgeschirmten „Biotop Apothekenmarkt“ längst überholt. Es stehe nicht mehr in der Macht der ABDA, den Markt zu diesem Idealbild zurückzuführen.

Der MVDA sieht sich in einem anstehenden Qualitätswettbewerb als „wichtiger Treiber“. In den vergangenen Jahren sei es bereits zu einer „gesunden Verdichtung des Apothekenmarktes“ gekommen. Diese führe zu erhöhter Markttransparenz und gesteigerter Wettbewerbsintensität, „die auf die stärkere 'Durchschlagskraft' größerer Markteinheiten zurückgeht“. Der Qualitätswettbewerbs sei geprägt durch solche „Treiber“, die mit einer Innovation eine temporäre Monopolsituation erreichen könnten. Der Wettbewerb sei gesund, solange die Treiber eine angemessene Pionierrendite erwirtschaften könnten.

Ein Feld für solche Renditen sieht man in der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). Apotheker und Ärzte müssten dabei ihre Arbeitsprozesse definieren, aufeinander abstimmen und dann gemeinsam eine jeweils angemessene Honorierung dafür fordern. Das ist genau das Terrain, auf das ABDA-Präsident Friedemann Schmidt seine politische Arbeit seit Monaten konzentriert.

Der MVDA kündigt an, selbst Gespräche mit der Ärzteschaft führen zu wollen. Als Aufhänger soll das Linda-Interaktionsmanagement dienen. Bei der Entwicklung des Programms hat Professor Dr. Ulrich Jaehde vom Institut für Klinische Pharmazie an der Universität Bonn mitgewirkt. In die Warenwirtschaft der Linda-Apotheken kann eine Dokumentationsmaske integriert werden, mit der mögliche Interaktionen nicht nur gelöst, sondern auch gespeichert werden. Weil die anonymisierten Daten wieder an die Uni Bonn zurückgespielt werden, soll das System sich laufend weiterentwickeln.

Zwar heißt es in dem Positionspapier, das Modul sei als Baustein mit anderen Systemen zum Medikationsmanagement kombinierbar. Doch an anderer Stelle wird deutlich, wohin die Reise gehen könnte. Zur Steigerung der AMTS sei eine koordinierte Zusammenarbeit mit niedergelassenen Haus- und Fachärzten obligatorisch. Die Therapiehoheit müsse zwingend beim Arzt bleiben. Nur dieser soll entscheiden, wann ein Medikationsmanagement verordnet wird, „das anschließend von einer dafür qualifizierten Apotheke durchzuführen ist“, heißt es. Damit sind wieder die Treiber gemeint.

Zu den zentralen Positionen des MVDA zählt auch die Bewältigung des gefährlichen Fachkräftemangels in der Apotheke. Dieser müsse von Politik und Standesvertretung analysiert und angegangen werden. Aber das brauche eben Zeit. Kurzfristig setzt der MVDA deshalb darauf, die eigenen Mitglieder im Wettbewerb um gutes Personal besser zu stellen: Linda und MVDA würden zusammen ein Personalprogramm auflegen, um sich qualifizierte Fachkräfte für das AMTS-Programm zu sichern.

Dem Verein ist zwar bewusst, dass dies keine Antwort auf die Kernfrage ist, sondern lediglich eine Zuspitzung des Wettbewerbs um personelle Ressourcen bedeutet. Aber pharmazeutisches Personal sei zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden. Dieser Wettbewerb um qualifiziertes Personal sollte im Sinne der Versorgung nur möglichst kurz dauern, aber der MVDA will ihn gewinnen.

Ein Dispensierrecht für niedergelassene Ärzte sowie Apothekenbusse lehnt der MVDA ab. Stattdessen könnten systematisierte Botendienste die Versorgung sicherstellen. Inklusive der pharmazeutischen Beratung sei dies das überlegene Konzept. Dass man beim MVDA in diesem Zusammenhang noch an die Kooperation mit Ordermed denkt, ist eher zweifelhaft. Zuletzt knirschte es hörbar zwischen den Partnern, der Vertrag über Orderlinda läuft Ende des Jahres aus – man wird sich wohl trennen.

Der MVDA fordert außerdem, dass Apotheken an einer sektorenübergreifenden Zusammenarbeit beteiligt werden können. „Unter den derzeitigen rechtlichen Bedingungen ist es unmöglich, Apotheken als gleichwertige Partner in einem besonderen Versorgungsansatz zu etablieren“, moniert die Kooperation. Allerdings sollen mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) solche Verträge erlaubt werden.

Zur besseren Einbindung der Apotheken in die Prävention, will Linda kurzfristig ein Softwaretool bereitstellen. In der Warenwirtschaft sollen weitere Bausteine mit Linda-Apotheken getestet werden. Dabei geht es etwa um Beratungs- oder Einnahmehinweise, Einschreibeformulare oder einen Reminder-Service. Indikationsspezifische Programme sollen folgen.

Eine konkrete und intensivere Zusammenarbeit plant der MVDA auch mit der Pharmaindustrie. Die Hersteller könnten als unterstützende Einheit – nicht als Leistungserbringer – bei der Versorgung mithelfen. Bei der Industrie sei die Bereitschaft da. Wichtig sei, dass die Apotheken dabei „von Fremdinteressen unbeeinträchtigt bleiben“.

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