Der Alphega-Krimi Alexander Müller, 26.03.2014 11:43 Uhr
Farbige Stimmzettel in einer gläsernen Urne – als Sternstunde der Demokratie wird die Wahl von Alphega nicht in die Geschichte eingehen. Ein Apotheker war so erbost über den Ablauf der Veranstaltung, dass er seine drei Wahlzettel einfach wegwarf. Der Mann wurde Vivescos Schicksal: Hätte er Alphega sprichwörtlich die rote Karte gezeigt, wäre der Plan von Alliance Healthcare nicht aufgegangen. So nahm der Krimi in Raunheim einen anderen Ausgang.
Ein Satz bringt die Gefühlswelten der beiden Lager vielleicht am besten auf den Punkt: „Frau Barra will durch Deutschland fahren und grüne Apotheken sehen.“ Ornella Barra ist die Großhandelschefin bei Alliance Boots. Der Satz eines Vivesco-Apothekers ist in Monaco gefallen, am Rande des „Europakongresses“ von Alphega Ende November.
Bei dem exklusiven Treffen im Fürstentum mussten sich die Vivesco-Mitglieder schon wie Stiefkinder fühlen: Ihre Kooperation wurde – anders als in früheren Jahren – in der wachsenden Alphega-Familie schon nicht mehr vorgestellt. Die Apotheker aus Deutschland sollten überzeugt werden, standen dann aber in den Pausen kopfschüttelnd und etwas ratlos zusammen.
Was hierzulande folgte, war eine durchgeplante Überzeugungstour: Vivesco-Chef Oliver Prönnecke reiste durch die Republik und warb bei den Apothekern für den Farbwechsel – mit Roadshow, Testapotheken und Kamingesprächen.
Zwar wollte die Konzernführung Alphega mit aller Macht, doch die Satzung der ehemaligen Anzag-Kooperation verlangt für so grundlegende Änderungen eine Dreiviertelmehrheit der Apotheker als stille Gesellschafter. Also traf man sich gestern im NH Hotel in hessischen Raunheim zur Urabstimmung.
Alliance hat auch hier nichts dem Zufall überlassen: Die Teilnehmer mussten sich anmelden und vor Ort ausweisen. Die Veranstalter hatten eine Liste dabei, die Aufschluss über das zu erwartende Stimmverhalten der Mitglieder gab. Schnell war klar, dass es knapp werden würde. Der Außendienst des Großhändlers hatte die Alphega-Befürworter im Vorfeld zwar zur Teilnahme ermuntert, das enge Ergebnis scheint die Gerüchte über Anreiseerleichterungen aber zu widerlegen.
Zum Tumult kam es nur unmittelbar vor der Abstimmung, als zwei Mitglieder noch einmal darlegen wollten oder sollten, warum sie gleich mit Ja stimmen würden. Dieser letzte Versuch der Einflussnahme wurde von den Kritikern niedergebuht. Ebenso das Ansinnen Prönneckes, die Ergebnisse der Umfragen bei den Kamingesprächen zum besten zu geben.
Immerhin hatten sich die Apotheker da schon mehrere Stunden die vermeintlichen Vorzüge des neuen Konzepts anhören müssen. Der Apothekerbeirat war komplett auf Linie, der Vorsitzende Wolfgang Kempf wirkte in seinem Vortrag auf Teilnehmer noch überzeugter als Prönnecke selbst. Applaudiert wurde regelmäßig in den hinteren Reihen, in denen die Alliance-Mitarbeiter Platz genommen hatten.
Die Kritiker kamen erst in der Fragerunde zu Wort, und da wurden zunächst alle Fragen gesammelt, um nicht auf jeden Einwand im Detail eingehen zu müssen. Dennoch verdichtete sich die „rote Fraktion“ – wie die Alphega-Kritiker am Rande der Veranstaltung bezeichnet wurden.
Die Gruppe lief schon recht früh Sturm gegen das geplante Abstimmungsverfahren. Jeder Apotheker hatte drei – personalisierte – Stimmzettel erhalten, einen grünen, einen roten und einen weißen; für Ja, Nein oder Enthaltung. Durchgesetzt wurde zumindest, dass das Adressfeld am unteren Rand abgeschnitten werden durfte.
Geheim war die Wahl deswegen trotzdem nicht: Zunächst wurden die grünen Wahlzettel eingesammelt, insgesamt 63 Befürworter warfen ihre Ja-Stimme in die durchsichtige Wahlurne und gaben die beiden anderen Stimmzettel ab. Danach wurden zwei Enthaltungen eingesammelt, zum Schluss die 21 Gegenstimmen – eine zu wenig für Vivesco.