„Vorteil24“: Manipulierte Apotheker Julia Pradel, 02.07.2014 14:39 Uhr
Das Pick-up-Projekt „Vorteil24“ gibt es bereits seit zwei Jahren nicht mehr. Nun hat das Oberlandesgericht München (OLG) entschieden, dass das Konzept illegal war – und damit der Wettbewerbszentrale Recht gegeben. Das Gericht sah nicht nur einen Verstoß gegen Arzneimittelgesetz (AMG) und Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), sondern auch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Im UWG ist geregelt, dass Handlungen unlauter sind, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer zu beeinträchtigen. Bei „Vorteil24“ erhielten die Apotheker eine Provision. Weil ab einem Verkaufspreis von 29 Euro die Provision höher ausgefallen sei als die Vergütung durch das deutsche Abrechnungssystem, habe es „eine unangemessene unsachliche Einflussnahme“ gegeben, so die Richter.
Durch die Provision habe ein finanzieller Anreiz für die teilnehmenden Apotheken bestanden, einem Patienten kein Präparat aus dem eigenen Sortiment anzuraten, sondern die Bestellung bei der Montanus-Apotheke zu empfehlen. Es bestehe die Möglichkeit, „dass die Apotheker dazu veranlasst werden, ihre Interessenwahrungspflicht zu verletzen“. Die Richter sahen die Gefahr, dass Apotheker auch dann zum Pick-up raten, wenn eigentlich eine schnelle Abgabe erforderlich wäre.
Das OLG stellte zudem klar, dass weiterhin eine Wiederholungsgefahr bestehe. Der beklagte Apotheker habe weder erklärt, dass er die beanstandeten Handlungen nicht mehr vornehmen werde, noch sei er der Auffassung, dass sein Verhalten mit Blick auf die Neuregelung zu Arzneimittelpreisen rechtswidrig sei. Damit kippte das Gericht die Entscheidung der Vorinstanz.
Das Landgericht München I hatte im Februar 2013 der Wettbewerbszentrale zwar auch im Grunde Recht gegeben. Die Richter sahen aber keine Wiederholungsgefahr, da sich inzwischen auch ausländische Versandapotheken an die deutschen Preisvorschriften halten müssten. Die Klage der Wettbewerbszentrale wurde daher abgewiesen, die Kosten für das Verfahren sollte der Verein übernehmen. Die Wettbewerbszentrale legte daraufhin Berufung ein.
Bei „Vorteil24“ konnten Patienten in teilnehmenden Linda-Apotheken Arzneimittel bei der Montanus-Apotheke in den Niederlanden bestellen. Über eine konstruierte Abhollösung wurden Gewinne für die Beteiligten und Boni für die Kunden generiert. Die Apotheken erhielten für die Vermittlung der Kunden eine Provision. Als sich die Finanzbehörden intensiver mit dem Modell befassten, wurde es im Juli 2012 abrupt eingestellt.
Zuvor hatte die Wettbewerbszentrale gegen einen Linda-Apotheker aus dem bayerischen Markt Schwaben geklagt. Sie warf dem Apotheker vor, die Preisbindung missachtet zu haben oder zumindest an einem Verstoß gegen die AMPreisV beteiligt gewesen zu sein.
Das Urteil des OLG ist noch nicht rechtskräftig. Die Richter haben zwar keine Revision zugelassen, der betroffene Apotheker kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.