Vier Monate nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung ist es noch weitgehend still im Markt. Plakate wurden aufgehängt, TV-Spots gesendet. Eine unternehmerische Antwort hat noch niemand gefunden. Als eine der führenden Apothekenkooperationen hat der Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA) bereits vor Monaten einen ganz großen Wurf angekündigt und dies zuletzt im Präsidentenbrief noch einmal bestätigt – konkret wurde man in Köln aber noch nicht. Die Branche wartet gespannt, was von den Machern von Vorteil24 kommen wird. Dass der ganze Zusammenschluss vor einem Komplettumbau steht, wird aber von Linda dementiert. Seit Monaten machen Gerüchte über grüne und blaue Linda-Apotheken die Runde.
Die ersten Signale, dass der MVDA vor Veränderungen stehen könnte, gab es schon vor einigen Monaten: Bei der Bilanz-Pressekonferenz von Phoenix in Mannheim stellte Konzernchef Oliver Windholz im vergangenen Mai das Konzept „Phoenix Pharmacy Partnership“ vor – eine Dachmarke für die unterschiedlichen Kooperationsprogramme in ganz Europa. „Wir wollen, dass unsere Großhandelskunden von unseren Erfahrungen profitieren.“ Zusätzlich geht es Windholz darum, gegenüber der Industrie mit einer möglichst flächendeckenden Präsenz am Point-of-Sale punkten zu können. Stichwort: „Phoenix all in one“
Ausgerechnet auf dem heimischen und zugleich wichtigsten Markt hat der Konzern aber nicht nur keine eigene Kette, sondern – vom Einkaufsprogramm Midas abgesehen – auch keine eigene Apothekenkooperation. Seit Ende der 1980er begleiteten erst Hageda und später Phoenix den Aufstieg des MVDA. Offiziell nennt man sich Logistikpartner, inoffiziell wäre die Kooperation ohne den Großhändler schwer vorstellbar. Zahlreiche Bausteine wie Payback oder das Diabetesprogramm kommen vom großen Bruder aus Mannheim.
Windholz relativierte seine Aussage auf Nachfrage: Partner Nummer 1 in Deutschland sei weiterhin der MVDA. Auch in Köln wiegelte man ab: Man habe sich zwar gewundert über die Aussage, allzu ernst dürfe man sie aber nicht nehmen. Immerhin gebe es unter Handelspartnern hin und wieder auch Reibereien. War die Aussage des Konzernchefs also nur eine Retoure dafür, dass der MVDA zuvor mit VSA/Awinta einen Konkurrenten der Phoenix-Tochter ADG als Industriepartner an Bord genommen hatte?
Tatsächlich hatte man zu dieser Zeit bereits Gespräche über das künftige Miteinander geführt. Wie andere Kooperationen steht auch der MVDA vor grundsätzlichen Herausforderungen: Da es immer weniger Selbstständige und damit weniger potenzielle Mitglieder gibt, wird sich eine Erosion der Basis auf lange Sicht nicht verhindern lassen. Gleichzeitig sind innovative Ansätze notwendig, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Hier hat der Verbund mit „Linda 2020“ bereits erste Ansätze vorgestellt, die derzeit getestet werden. Bekanntlich sinkt die Durchschlagskraft solcher Konzepte aber mit der Zahl derjenigen, die sie umsetzen sollen.
Einen VIP-Club innerhalb der Kooperation soll es zwar erklärtermaßen nicht geben. Doch bei Linda/MVDA dürfte man sich seit Längerem Gedanken darüber machen, wie man das Tempo erhöhen kann ohne die breite Basis abzukoppeln. „Durch Überzeugung zum Gleichschritt“, lautete die Devise der langjährigen Doppelspitze Wolfgang Simons und Ulrich Ströh. Tatsache ist aber auch, dass bislang nur wenige Apotheken sich Linda-Möbel in die Offizin gestellt haben. Zu erkennen ist die Zugehörigkeit zum Verbund oft nur am Logo in der Scheibe und auf dem Kittel, an der Ansage am Telefon, an Payback, dem Linda-Magazin und am Produkt des Monats.
Die Idee von grünen und blauen Linda-Apotheken soll Marcus Freitag, seit Kurzem Deutschlandchef bei Phoenix, in die Gespräche mit Linda/MVDA mitgebracht haben. Ein schlagkräftiger Verbund ist auch im Interesse des Großhändlers, noch wichtiger aber ist die Zahl der aktiven Kunden.
In der Branche machten zuletzt Gerüchte die Runde, die Partner könnten Linda unter sich aufteilen: So könnte sich die Marke schneller entwickeln – rund 400 der derzeit 1100 Mitgliedsapotheken stellen sich derzeit als sogenannte Pioniere den höchsten Qualitätsansprüchen. Sie stehen laut Geschäftsstelle als „Speerspitze für die stringente Umsetzung sowie Pilotierung von optimierten und neuen Linda-Dienstleistungen“.
Gleichzeitig bliebe mit der zweiten Linda die Präsenz in der Fläche erhalten – auch das ist für die Kooperation ein wichtiger Aspekt. Phoenix wiederum könnte einen zwar nicht weißen, aber zumindest hellgrauen Fleck auf der Landkarte einfärben – was mit Blick auf einen möglichen Käufer von Interesse sein könnte.
Von Linda-Vorstand Volker Karg kam ein klares Dementi: Es gebe keine Pläne einer Differenzierung, entsprechende Gerüchte seien als „Fake-News“ einzustufen. Bei Phoenix wollte man sich gar nicht zu den Gesprächen mit dem Kooperationspartner äußern.
Ungewöhnlich wäre ein Konzept mit unterschiedlichen Ausbaustufen nicht. Gehe hat nach dem Abschied von DocMorris und Lloyds verschiedene Varianten aufgelegt – von der Franchise-Apotheke mit entsprechender Einrichtung bis hin zum Mitglied, das nur einzelne Komponenten aus dem Baukasten in Anspruch nimmt.
Bei Linda müssten dagegen im Falle einer Doppelstruktur die Zuständigkeiten klar abgegrenzt werden. Wem gehörte die Marke Linda und wer dürfte sie unter welchen Voraussetzungen nutzen? In welchem Verhältnis stünden die Schwesterverbünde zueinander und in welchem Umfang würden sie beim „Phoenix Pharmacy Partnership“ mitspielen? Wie würden die Mitglieder von „Linda light“ bei Laune gehalten, wenn sie plötzlich Mitglied einer Großhandelskooperation werden müssten? Und vor allem: Welche Rolle würde künftig der MVDA spielen, der sich nach dem Motto „Von Apothekern für Apotheker“ als führenden unabhängige Kooperation versteht, aber als 100-prozentiger Stammaktionär strukturell eng mit Linda verbandelt ist? Und was würde aus den mehr als 2000 Mitgliedsapotheken, die bislang nicht bei Linda mitmachen?
Dem klaren Dementi zum Trotz: Das MVDA-Präsidium wird sich beim Jahrestreffen, das in diesem Jahr zum ersten Mal nicht in Köln, sondern in Frankfurt stattfindet, den Fragen der Delegierten stellen müssen. Denn die Vertreter aus den Regionen fühlen sich seit dem Generationswechsel vom Informationsfluss abgeschnitten – ein Brief von Kohl-Geschäftsführer Jörg Geller sorgte kurz vor Weihnachten für Wirbel.
Wie die Antwort auf das EuGH-Urteil aussieht, will Karg erst Ende April präsentieren. Schon am 19. Oktober hatte der MVDA eine Lösung versprochen, die keine andere Kooperation am Markt in dieser Form umsetzen könne. „Wir haben uns vorbereitet und arbeiten seit Monaten mit unseren starken Marktpartnern mit Hochdruck an einer eigenständigen, zukunftsorientierten Lösung, die die Handschrift Ihres MVDA trägt“, hieß es im Präsidentenbrief.
Dem Vernehmen nach arbeitet die Phoenix-Tochter ADG an einem Konzept, bei dem Kunden ihre Arzneimittel über eine App in der nächstgelegenen Linda-Apotheke vorbestellen können. Die Idee ist nicht neu, aber dank der Dachmarke könnte Linda erstmals mit einem massiven Marketing in den Markt gehen. Und ADG hätte ein neues Wettbewerbsinstrument, um das Abwerben von Kunden durch Awinta zu stoppen.
Zuletzt wurden die Mitglieder Anfang Februar noch einmal neugierig gemacht: Man werde schon bald erste Antworten liefern, denn man sehe sich als „Speerspitze, die sich auch in ihrer strategischen Position von einer standespolitischen Verweigerungshaltung und einer ‚Politik via Unterschriftenliste‘ unterscheiden sollte“.
Auch im Linda-Geschäftsbericht werden „zukunftsweisende Investitionen in die digitale Transformation des Unternehmens“ versprochen. Diese sollen sogar den gesamten Gewinn des laufenden Geschäftsjahres aufzehren, mithin also einen Millionenbetrag. Zusammen mit den hohen Rücklagen, die auf ihren Einsatz warten, ist die Kriegskasse bei Linda also gut gefüllt, um in die Marke oder neue Konzepte zu investieren.
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