e-Health

„Apotheken in der Analogfalle“ Patrick Hollstein, 27.03.2015 10:05 Uhr

Berlin - 

Alle Welt ist online, der Versandhandel wächst. Doch es gibt auch digitale Produkte, die erklärungsbedürftig sind und eine Beratung vor Ort erfordern. Aus Sicht von Hauke Kalz vom privaten Rechenzentrum AvP haben die Apotheken beste Voraussetzungen, um ihren Kunden digitale Angebote zu machen. AvP will die Apotheken sensibilisieren, diesen Markt nicht an sich vorbei gehen zu lassen.

Apotheken stecken laut Kalz in der „analogen Falle“. Alleine in Deutschland gebe es 41 Millionen Smartphones, im Apple-Store alleine seien mehr als 18.000 Apps rund um das Thema Gesundheit gelistet. „Hersteller und Patienten sind für e-Health gerüstet. Die Frage ist, was die Apotheken dieser Zielgruppe anbieten können.“

Aus seiner Sicht hätten die Apotheker gute Chancen, um sich als erste Ansprechpartner rund um digitale Gesundheitsprodukte zu profilieren. Er verweist auf den gescheiterten Versuch des Medizintechnikherstellers Medisana, seine Produkte im Telekom-Store zu verkaufen. „Das war nicht erfolgreich, weil kein Mitarbeiter erklären konnte, was ein systolischer Blutdruck überhaupt ist.“

Apotheken hätten dieses Fachwissen, doch vielen Kollegen fehle das Interesse beispielsweise für sogenannte Wearables, also tragbare Computersysteme, die gesundheitsrelevante Werte aufzeichnen und über App-Systeme auswerten. „Die Folge: Solche Produkte werden leider bei Amazon verkauft – und nicht in der Apotheke.“

Dabei seien Apothekenkunden die beste Zielgruppe für solche digitalen Helferlein: Für junge Eltern würden Strampler angeboten, die die wichtigsten Vitalfunktionen überwachten, oder Trinkflaschen, die die Ernährungsgewohnheiten protokollieren und entsprechende Hinweise geben.

Für Senioren wiederum seien Assistenten für die Arzneimitteleinnahme relevant, aber womöglich auch Systeme, die die Flüssigkeitsaufnahme protokollierten. Sogar tragbare Mini-Kameras, die in regelmäßigen Abständen Fotos aufnehmen und so Demenzkranken helfen, ihren Tagesablauf zu rekapitulieren, seien erhältlich. In den Apotheken existiert das Angebot noch nicht – das will AvP ändern.

Ein Blick ins Internet zeigt laut Kalz, wie groß das Interesse an solchen Produkten ist: Bei Google beispielsweise gebe es mehr Treffer zum Suchbegriff „e-Health“ als zu „Smartphone“. Warum also sollten Apotheken dieses Potenzial nicht nutzen? Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht führe an dem Thema eigentlich kein Weg vorbei, so Kalz: Der Hilfsmittelmarkt wachse stark, und gerade Chroniker, die ihre Medikamente im Internet bestellten, könnte man laut AvP durch eine intensive Betreuung in die Apotheke zurückholen.

„Wir haben alle Komponenten zur Verfügung, um auch in der Apotheke Angebote zu diesem Thema aus der Taufe zu heben“, sagt Kalz. AvP hat sich zum Ziel gesetzt, Anbieter und Apotheker zusammenzubringen – und die finanzielle Abwicklung zu übernehmen. Denn die Produkte sollen zwar in den Apotheken erklärt und verkauft werden; Lieferung, Retouren und Haftung seien aber Sache des Herstellers oder Distributors. Dass solche Showroom-Modelle funktionieren, haben Metro, ebay und Paypal mit ihrem Innovation-Store in Bremen bereits bewiesen.

Um ein Bewusstsein für dieses neue Marktsegment zu schaffen, hat AvP jetzt in einem ersten Schritt den Innovationswettbewerb „HiMi-Scout 2015“ ausgeschrieben. Apotheker und ihre Mitarbeiter, aber auch Studenten, PTA- und PKA-Schüler sowie Inhaber und Mitarbeiter von sonstigen Leistungserbringern können dabei Produktideen einreichen, die technisch innovativ sind und aus ihrer Sicht eine Absatzchance in der Apotheke haben. Die Ausschreibung läuft noch bis Ende April, als Gewinn spendiert AvP mehrere Reisen sowie Fördergelder.

AvP wurde 1947 von Graf von Platen gegründet und gehört heute Mathias Wettstein. Mit seinen zwischenzeitlich mehr als 4000 Kunden in ganz Deutschland ist AvP das siebtgrößte Inkassounternehmen Deutschlands, mit dem Schwerpunkt auf Rezeptabrechnung für Apotheken. Ein Schwerpunkt von AvP liegt in den neuen Bundesländern, wo an den Standorten Heinersdorf bei Berlin und Weißenfels bei Leipzig bis zu sieben Millionen Rezepte pro Monat verarbeitet werden.