Pharma-Symposium

Apotheken: Bruchbuden wie vor 30 Jahren

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Hamburg -

Im Apotheken- und Pharmabusiness Ausrufezeichen setzen, den Markt dominieren, Gewinne machen, das wollen alle. Wenn das mal nicht so läuft, könnten Off-Beats helfen. Solche Akzentverschiebungen wurden am vergangenen Freitag auf dem Pharma-Symposium der Bauer Media Group für ihren wichtigsten Werbepartner aus der Pharmaindustrie präsentiert.

Mit Off-Beat wird eigentlich eine aus der Musik stammende Akzentänderung bezeichnet, die inzwischen auch im Management zum Wording gehört, um das Überwinden des Mainstreams zu beschreiben. Cheforganisator Frank Fröhling hatte für die knapp 200 Teilnehmer eine vielschichtige Komposition aus innovativen, wissenschaftlichen, kreativen, abseitigen und bisweilen auch aggressiven Off-Beats zusammengestellt – vorgetragen von den jeweiligen Fachleuten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Marketing, moderiert von dem Autor und Talkmaster Gero von Boehm.

Uwe Bokelmann, Chefredakteur für den Medical und Health Sektor der Bauer Media Group, sieht in dem ausufernden Wettbewerb der Heilsversprechen den Grund für den stetigen Abbau von Vertrauen bei den Kunden. Diese vertrauten zwar nach wie vor den Rx- und OTC-Produkten, aber nicht deren Herstellern. Bokelmann kritisiert die Pharmabranche als eine, die sich zu sehr der Verkaufsoptimierung verschrieben hat. Seiner Meinung nach hat Steve Jobs 2007 den Offbeat schlechthin formuliert: Geht das nicht einfacher – schneller – leichter – schöner? Daran müsse sich auch die Gesundheitsbranche messen lassen.

Unternehmensberater Malte Wilkes übernahm in der Runde das Apotheken-Bashing. Für ihn sähen die „Dinger“ aus wie vor 30 Jahren, es seien „Bruchbuden“ und die Pharmaindustrie sei der Treiber dieser „alten Strukturen”. Der Schlüssel zur Veränderung: Apotheker, Ärzte und Manager sollten eine solche Erlebnissprache trainieren. Narratives Management und narrative Medizin bewegten Mitarbeiter und Patientenkunden verstärkt zum Erfolg, so sein Credo. Weil keiner auf die Wohlfühlkomponenten der „Patientenkunden“ achte, schenkte Wilkes auch noch den Politikern und der ABDA ein, die sich in Sackgassen befänden. Für Wilkes wäre diejenige Apotheke ein Sensation, die folgendes bieten würde: „Kommen Sie mit jeder Internetfrage in diese Apotheke und wenn ich es als Apotheker nicht sofort weiß, schaue ich für Sie nach.” Viele in der Gesundheitsbranche glauben nach Ansicht von Wilkes noch an Marktregulationen durch den Staat. Aber den „Patientenkunden sei das lang wie dünn”.

Professor Dr. Christian Belz von der Universität St.Gallen beschwor den Kundenprozess, der wichtiger werde als die Marke. Dem Kunden gefällt vieles, doch handelt er nicht. So liegt der Weg des Kunden bis zum Kauf oft brach, wird länger, hat mehr Zwischenschritte und wird häufiger unter- oder abgebrochen. Das betrifft Konsumenten, Apotheken, Drogerien und Ärzte. Customer Experience (Kundenerlebnis), Customer Journey (alle Berührungspunkte des Kunden mit dem Produkt), Touchpoints (Kontaktpunkte zwischen Unternehmen und Kunde) oder Omnichannel (All-Kanal-Vetrieb) beschreiben irgendwie den Kundenprozess, aber selten den realen Weg des Kunden. Das liefert erst die differenzierte Diagnose der Kundenprozesse.

Professor Dr. Manfred Schedlowski für Medizinische Psychologie an der Universität Essen ermunterte zu mehr Kommunikation zwischen Apothekern/Ärzten und „Patientenkunden”, um damit den Therapieeffekt auf neurobiologischer Ebene zu steigern. Die Forschung belege die enge Verbindung zwischen Hirn und Immunsystem durch randomisierte, placebo-gestützte, doppelblinde Studien. Die zugrundeliegenden Mechanismen (Kommunikation/Erwartung/Lernen) der Placebo- und Nocebo-Antworten sollten gezielt genutzt werden, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit von pharmakologischen/medizinischen Behandlungen zu optimieren.

Dass Humor im Kunden-Apotheker- und Patienten-Arzt-Dialog zielführend für den Therapieerfolg sein kann, war nicht wirklich überraschend, aber von Professor Dr. Michael Kleinaltenkamp, Experte für Business- und Dienstleistungsmarketing an der Freien Universität Berlin, selbstredend humorvoll dargestellt.

Mittels elektronischer Sensorfunktionen auf Verpackungen noch mehr Kundennähe aufzubauen, hält Professor Dr. Christoph Kutter, Physiker am Fraunhofer-Institut EMFT, für realisierbare Zukunftsmusik. Dazu sollen auch ein Frische-Monitoring für Medikamente kommen sowie zum Patienten sprechende Packungen. Mit Blick auf seinen Vorredner schloss er auch nicht aus, dass solche Packungen künftig dem Patientenkunden auch etwas Humorvolles erzählen könnten, getreu dem Motto, dass Lachen immer noch die beste Medizin sei.

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