Beim Großhändler Alliance Healthcare werden die Außendienstmitarbeiter derzeit mit neuen Handys ausgestattet. Eigentlich etwas Schönes. Doch in der Belegschaft ist von einer „elektronischen Fußfessel“ die Rede. Der Konzern beschwichtigt: Für Argwohn gebe es keinen Grund.
Seit Jahren sind die Alliance-Mitarbeiter mit einem Nokia-Handy unterwegs. Weil die Geräte mittlerweile überaltert sind, wurde trotz des rigorosen Sparkurses jetzt auf iPhone umgestellt. Ein Mitarbeiter ist trotzdem unzufrieden. Denn er fand in den Einstellungen seines neuen Mobiltelefons einen Hinweis, der ihn alarmierte: „Dieses iPhone wird durch Alliance-Healthcare Deutschland betreut. Alliance-Healthcare Deutschland AG kann den Internetverkerhr überwachen und dieses iPhone orten.“
Der Außendienstler war entsetzt: Einen noch deutlicheren Hinweis des „abgrundtiefen Misstrauens“ könne ein Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern gar nicht abgeben. Er ist überzeugt, dass Alliance sich durch solche Maßnahmen noch unattraktiver macht. Dabei habe sich die Zahl der Außendienstler in den vergangenen zwei Jahren schon um 40 Prozent reduziert, wobei viele dieser Kollegen von sich aus gegangen seien.
Der Konzern relativiert. Die IT-Abteilung verwalte die Smartphones aller Mitarbeiter; aus diesem Grund erscheine ein Standardtext, der von Apple generiert worden sei. „Dieser Text wird immer automatisch angezeigt, wenn ein iPhone von einem Unternehmen verwaltet wird“, so eine Sprecherin. Das sei notwendig, da anderenfalls zurückgegebene iPhones zum Beispiel nach einer Reparatur selbst nach einem Reset auf die Werkseinstellungen unter Umständen nicht mehr benutzbar wären. „Das bedeutet aber nicht, dass die Geräte im wortwörtlichen Sinn überwacht werden. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung wurde mit der Arbeitnehmervertretung abgeschlossen und wird ausnahmslos umgesetzt und befolgt.“
Alliance kann negative Schlagzeilen zum Betriebsklima nicht gebrauchen. Die Stimmung ist seit der Übernahme der ehemaligen Anzag durch Alliance Boots, heute Walgreens Boots Alliance (WBA), im Keller. Dem Mitarbeiter zufolge haben in den vergangenen 24 Monaten rund 700 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.
Dramatische Sparmaßnahmen seien über alle 25 Niederlassungen verhängt worden, zum Teil mit „irrwitzigen“ Auswirkungen. So sei beispielsweise in der Zentrale ein Bestellverbot erlassen worden, das Hygieneartikel und Büromaterial für die Niederlassungen betraf. In mehreren Niederlassungen seien ganze Abteilungen geschlossen worden.
Zuletzt kursierte im Herbst eine Mail mit der Überschrift „Artgerechte Haltung im Customer Service“, die offenbar an große Teile der Belegschaft ging. 13 Mitarbeiterinnen aus der Telefonzentrale der Niederlassung in Frankfurt forderten darin von ihren Vorgesetzten einen verbindlicheren Umgang. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warnte Mitarbeiter, keine neuen Arbeitsverträge zu unterzeichnen, mit denen die Konditionen gedrückt würden.
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