„Apotheker unterschätzen Impulskäufe“ Patrick Hollstein, 06.02.2015 09:33 Uhr
Perry Soldan ist Bonbonkocher aus Leidenschaft. Er kennt alle Geheimnisse seines Handwerks. Nach zehn Jahren an der Spitze des Traditionsunternehmens Dr. C. Soldan weiß er aber auch, wie der Handel tickt und wie man sich in einem hart umkämpften Markt durchsetzt. Den Wettbewerb mit Weltkonzernen geht er selbstbewusst an – am Mittelstand führt aus seiner Sicht kein Weg vorbei. Beim Rundgang durch die Produktion erklärt er, warum Bonbons zur Apotheke gehören und warum Impulskäufe nicht unterschätzt werden sollten.
ADHOC: Wenn Sie die Wahl hätten: Kasse oder Aufsteller? Wo würden Sie sich lieber platziert sehen?
SOLDAN: Kasse.
ADHOC: Warum?
SOLDAN: Weil Bonbons Impulsartikel sind und sich viel besser verkaufen, wenn der Kunde aktiv an sie „erinnert“ wird.
ADHOC: Sie kämpfen immerhin um den besten Verkaufsplatz.
SOLDAN: Zurecht! Bonbons sind eine Kategorie, deren Bedeutung in der Apotheke unterschätzt wird. Dabei gehört jeder fünfte Artikel, der in der Apotheke verkauft wird, zu dieser Warengruppe. Und das komplett ohne Beratung.
ADHOC: Warum sollten Apotheken den Platz nicht für Produkte mit höherer Marge nutzen?
SOLDAN: Wir beanspruchen nicht den ganzen HV-Tisch für uns. Wir wollen in der Impulszone sein, um dann auch im Bonbonregal wahrgenommen zu werden. Aber man muss sich natürlich schon fragen, ob man einen Kosmetikartikel, der 80 Euro kostet, aber nur einmal im Monat verkauft wird, ausgerechnet in dem Bereich platziert, der das höchste Potenzial für Impulskäufe hat. Ein guter Deckungsbeitrag ist das Ergebnis aus Spanne und Umschlag.
ADHOC: Warum passen Bonbons überhaupt zur Apotheke?
SOLDAN: Wir verkaufen zwar keine Arzneimittel, aber auch keine reinen Süßigkeiten. Die Marke Em-eukal steht für Genuss verbunden mit Wirkung – das passt doch perfekt zur Apotheke. Auch historisch gesehen haben wir unseren Ursprung in der Apotheke. Mein Urgroßvater war Apotheker und Medizinalrat.
ADHOC: Gibt es Apotheken, die keine Bonbons verkaufen?
SOLDAN: Es gibt nur ganz wenige Apotheken, die die Warengruppe komplett ablehnen. Wenn es in einer Apotheke keine Bonbons gibt, hat das eher andere Gründe – zu wenig Platz etwa oder keine Bonbonwand im Landbaukonzept.
ADHOC: Warum sind Sie nicht apothekenexklusiv?
SOLDAN: Apothekenexklusivität ist bei einem Artikel wie Bonbons wirtschaftlich schlichtweg nicht darstellbar. Wir haben eine natürliche Bindung zur Apotheke und sind hier mit Em-eukal seit Jahrzehnten Marktführer. Aber man muss ehrlich zugeben, dass wir auch mit dem Aufkommen der Drogeriemärkte gewachsen sind. Von unserer Präsenz im Fachhandel profitieren aber auch die Apotheken. Ich sehe hier keinen Kanalkonflikt – und übrigens auch unsere Kunden nicht.
ADHOC: Warum sind Sie 2008 auch noch in den Lebensmitteleinzelhandel gegangen?
SOLDAN: Unser Markt entwickelt sich seit Jahren als flache Linie – die klassischen Erkältungsbonbons sind sogar rückläufig. Wachstum findet daher nur über Verdrängung statt. Große Anbieter, für die das Apothekengeschäft bislang viel zu umständlich war, drängen zunehmend in diese „Nische“. Deshalb müssen auch wir neue Wege gehen – und dabei natürlich immer auch um unsere Wertigkeit kämpfen. Was den Verkauf an Tankstellen angeht, sind wir beispielsweise sehr sensibel.
ADHOC: Wo ziehen Sie bei sich selbst die Grenze?
SOLDAN: Em-eukal ohne eine gewisse Dimension von Wirkung funktioniert beim Verbraucher nicht. Das haben wir zuletzt bei unserer Apfel-Variante gemerkt, die mir persönlich sehr gut gefallen hat, die aber von den Kunden nicht angenommen wurde. Erfolgreich sind Sorten, die wie bei unser Klassiker etwas Besonderes sind: Traube-Aronia, Ingwer-Orange oder Pflaume-Zimt sind Beispiele. So gesehen sind auch unsere Gummidrops und die Serie „Kleine Momente“ ein Spagat, von dem wir noch nicht wissen, wie er ankommt. Doch die erste Resonanz ist vielversprechend.
ADHOC: Was ist einfacher: das Geschäft mit Apotheken oder Handelskonzernen?
SOLDAN: Beides ist anspruchsvoll. Im Drogeriebereich erleben Sie Jahresgespräche, die Ihnen für immer in Erinnerung bleiben. Sie zahlen hohe Werbekostenzuschüsse, dafür können Sie sich darauf verlassen, dass Sie gemäß Absprache platziert werden. Bei den Apotheken haben Sie einen viel höheren Vertriebsaufwand. Dafür ist der Umgang miteinander oft persönlich und unkompliziert. Wir fühlen uns wohl in der Apotheke. Obwohl der Bereich analog zum Fach- und zum Lebensmitteleinzelhandel etwa ein Drittel unseres Geschäfts ausmacht, liegt er in der Wahrnehmung ganz vorne.
ADHOC: Was erwarten Sie von den Apotheken?
SOLDAN: Ein echter Killer ist Nichtsichtbarkeit. Ohne Platzierung gibt es bei Impulsware keinen Abverkauf. Daher muss man die entsprechende Warengruppe aktiv begleiten, sonst wird es schnell langweilig. Apotheken sollten mit ihrem Sortiment spielen, gerade im HV-Bereich. Da unsere Bonbons eine gewisse „Indikation“ haben, sollte es gezielte Aktionen geben. Wichtig ist außerdem immer, dass die Warenzusammensetzung auf die Kundschaft ausgerichtet wird. Wer überwiegend Menschen aus einem Seniorenheim betreut, muss sich nicht auf Kinder Em-eukal fokussieren.
ADHOC: Welche Unterstützung geben Sie als Hersteller?
SOLDAN: Unser Außendienst stellt den Apotheken für ihr Category Management nützliche Daten aus der Marktforschung zur Verfügung. Ein Beispiel: Im Parfumbereich wurden früher Frauen- und Männerprodukte getrennt platziert. Heute weiß man, dass das nicht dem Verhaltensmuster der Verbraucher entspricht. Die Kunden suchen spezielle „Ankermarken“ und entdecken dann womöglich auch andere Angebote drumherum. Wir wollen mit Em-eukal die „Ankermarke“ für Bonbons in der Apotheke sein.
ADHOC: Wie finden Sie Preisaktionen?
SOLDAN: Grundsätzlich sollten Apotheken auch bei Bonbons ein angemessenes Preislevel halten. Schütten sind themenbezogen okay, signalisieren aber auf Dauer keine Wertigkeit. Unser Geschäft funktioniert anders als die „Kruschartikel“ im Baumarkt, die Sie an der Kasse mitnehmen, obwohl sie sie längst zu Hause haben.
ADHOC: Warum bringen Sie immer neue Sorten auf den Markt?
SOLDAN: Auch wir wollen interessant für unsere Kunden bleiben. Daneben sprechen wir neue Zielgruppen an und reduzieren unsere Abhängigkeit von Erkältungswellen. Früher waren wir sehr winterlastig, mittlerweile ist es uns gelungen, die Saison zu verlängern, beispielsweise mit unserem Em-eukal Herbst- und Frühlingsgenuss.
ADHOC: Wie viele Sorten haben Sie derzeit im Sortiment?
SOLDAN: Bei Em-eukal gibt es derzeit 20 Sorten für Erwachsene und fünf Sorten für Kinder. Dazu kommen aecht Bayrischer Blockmalz als echter Naschbonbon und die Lakritzmarke Rheila, die im Süden als so etwas wie ein Arzneimittel, im Norden dagegen als Genussmittel wahrgenommen wird. Die größere Herausforderung ist derzeit Kinder Em-eukal: Viele Eltern kennen und schätzen unsere Traditionsmarke aus ihrer eigenen Kindheit. Hier ein Konzept für die Zukunft zu finden, wird besonders spannend. Wir arbeiten daran und sind auf einem guten Weg.