Hightech-Beratung in der Apotheke Patrick Hollstein, 11.02.2015 08:48 Uhr
Nein, Rabattverträge machen keinen Apotheker glücklich. Nichtsdestotrotz tut sich der Berufsstand schwer, neue Segmente und Aufgabenfelder zu erschließen. Um Hilfsmittel beispielsweise machen viele Kollegen einen großen Bogen. Klaus Henkel, Mitglied der Geschäftsleitung des privaten Rechenzentrums AvP, sieht gerade in diesem Bereich große Chancen – und hat einen Innovationswettbewerb ausgelobt.
Kaum ein Kongress zum Gesundheitsmarkt kommt derzeit ohne wenigstens einen Fachvortrag zu E-Health aus. Die Ideen reichen vom Glukose-Monitoring mittels Kontaktlinse bis hin zum kompletten EKG via Konferenzschaltung mit dem Arzt. Babystrampler, die vor dem plötzlichen Kindstod schützen, werden genauso angeboten wie Trinkflaschen, die die Ernährungsgewohnheiten protokollieren und entsprechende Hinweise geben.
Was hierzulande noch wie Zukunftsmusik klingt, hält in den USA bereits Einzug in den Lebensalltag. Höchste Zeit, sich auch in Deutschland über Sortimente und Vertriebskanäle Gedanken zu machen, findet Henkel. Wenn sich die Apotheken nicht rechtzeitig mit dem Thema beschäftigen, wird der Markt seiner Meinung nach irgendwann an ihnen vorbei gehen.
Dabei ist die Offizin aus seiner Sicht der beste Ort, um innovative Produkte an den Mann zu bringen. „Die Apotheke ist für viele Menschen erster Anlaufpunkt, wenn es um Gesundheit und Prävention geht. In keinem Technikgeschäft kann man sich auch nur annähernd so kompetent und ganzheitlich beraten lassen.“
Henkel ist überzeugt, dass Hightech mit Gesundheitsbezug für breite Bevölkerungsschichten interessant wird: „Das ist kein Segment, das ausschließlich Technikfans oder Fitnesssportler betrifft. Die heutige Generation geht ganz selbstverständlich mit Internet und Smartphone um.“
Dass viele Apotheker keine exotischen Produkte im Sortiment haben wollen, die womöglich nicht nur beratungsintensiv, sondern auch noch teuer sind und sich selten verkaufen, weiß Henkel. Aber um das klassische Handelsgeschäft geht es aus seiner Sicht in diesem Bereich auch gar nicht unbedingt: „Technik wird häufig über das Internet verkauft – das hat Vor-, aber auch Nachteile. Innovative Hersteller überlegen, wie sie für ihre Produkte eine Präsentation und Beratung vor Ort gewährleisten können. Solche Unternehmen sind auch bereit, für diese Dienstleistung zu bezahlen.“ Die Apotheken sollten sich daher aus seiner Sicht rechtzeitig als Vertriebskanal positionieren – auch um selbst als innovative Anbieter wahrgenommen zu werden.
Um ein Bewusstsein für dieses neue Marktsegment zu schaffen, hat AvP jetzt in einem ersten Schritt den Innovationswettbewerb „HiMi-Scout 2015“ ausgeschrieben. Apotheker und ihre Mitarbeiter, aber auch Studenten, PTA- und PKA-Schüler sowie Inhaber und Mitarbeiter von sonstigen Leistungserbringern können dabei Produktideen einreichen, die technisch innovativ sind und aus ihrer Sicht eine Absatzchance in der Apotheke haben.
AvP spendiert verschiedene Preise und veranstaltet parallel unter dem Titel „HilfsmittelZukunft – Wissen, was kommt!“ eine deutschlandweite Seminarreihe, um so dem Thema zu einer stärkeren Wahrnehmung und einer höheren Relevanz zu verhelfen.
Dass sich das Rechenzentrum überhaupt mit dem Thema beschäftigt, hat mit einer gewissen Nähe zum Hilfsmittelbereich zu tun. Vor anderthalb Jahren hat AvP eine Datenbank auf den Markt gebracht, mit der Apotheker direkt in ihrer Warenwirtschaft einsehen können, welchen Lieferverträgen sie beigetreten sind und zu welchen Konditionen sie Hilfsmittel abrechnen können – ohne jeden Vertrag individuell einpflegen zu müssen.
Bei AvP hofft man, über diese Schiene als Vermittler zwischen den verschiedenen Beteiligten auch im Selbstzahlerbereich Fuß fassen zu können. Denn die Margen im klassischen Rx-Geschäft sind wegen des Preiskampfs unter den Rechenzentren gering, mit sinkender Apothekenzahl entwickelt sich der Markt rückläufig.
Dass es womöglich noch ein weiter Weg ist, bis innovative Hilfsmittel ganz selbstverständlich zur Apotheke gehören, ist Henkel bewusst. „Aber wir können nicht erwarten, dass die Apotheken neue Wege gehen, solange wir als Dienstleister auf der Stelle treten.“