Bundesverwaltungsgericht

Das Automatenurteil

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Berlin -

DocMorris stützt den Betrieb des Arzneimittelautomaten vor allem auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Abgabeterminal Visavia von Rowa. Zwar hatten die Leipziger Richter den Betrieb im Jahr 2010 weitestgehend verboten, doch es gibt ein paar wesentliche Unterschiede. Die Entscheidung im Rückblick.

Bei Visavia in der damaligen Form war an der Apotheke ein Terminal angebracht, das mit dem Kommissionierer verbunden war. Der Kunde konnte selbst auf das frei verkäufliche Sortiment zugreifen. Bei OTC-Präparaten wurde über eine Video/Audio-Verbindung ein Apotheker zugeschaltet, der ihn beraten und das gewünschte Produkt mit Hilfe des Automaten freigeben konnte. Kunden konnten zudem ihr Rezept einscannen, das nach Freigabe und Abgabe des Medikaments durch den Apotheker im Terminal verblieb. Bei Visavia gab es zudem die Möglichkeit, dass außerhalb der Öffnungszeiten andere Apotheker zugeschaltet werden konnten, die bei einer Servicegesellschaft angestellt waren. Der Apotheker zahlte eine für die Inanspruchnahme der Serviceleistungen dieser Gesellschaft umsatzabhängige Gebühr.

Das BVerwG hat die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel untersagt. Das Terminal genüge nicht den Dokumentationspflichten nach § 17 Abs. 5 und 6 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Das Rezept werde nicht wie vorgeschrieben bei Abgabe unterzeichnet. Zudem könnte es sein, dass der Inhaber die Rezepte am nächsten Tag abzeichnet, obwohl ein Apotheker im Service-Center die Abgabe verantwortet hatte. Die Bedienung des Apothekenterminals durch das Personal eines gewerblichen Dienstleisters verstieß laut Urteil zudem gegen die Pflicht des Apothekers aus § 7 Apothekengesetz (ApoG) zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung.

Die Abgabe von OTC-Arzneimitteln über das Terminal verstieß aus Sicht des BVerwG gegen die Beratungspflicht des Apothekers gemäß § 20 Abs. 1 ApoBetrO. Dies allerdings nur, soweit das Terminal außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Apotheke eingesetzt werde. Denn während der Öffnungszeiten könnte der Kunde – so die Argumentation der Leipziger Richter – in die Apotheke gehen und Nachfragen stellen. Das war aber natürlich nicht der vorgesehene Zweck des Terminals.

Die Richter stellten in ihrer Urteilsbegründung aber klar, dass „die Abgabe von Arzneimitteln über ein Apothekenterminal entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht schlechterdings unzulässig“ ist. Zwar sehe das AMG die Abgabe grundsätzlich nur in Apotheken vor, die Abgabe am Terminal sei aber nicht deshalb unzulässig, weil dieses an der Außenwand der Apotheke angebracht sei. Das hätten die Richter schon in der sogenannten Autoschalter-Entscheidung festgestellt.

Denn mit dem Versandhandel habe der Gesetzgeber ermöglicht, dass der Kunde nicht gehalten sei, die Apotheke zu betreten. Auch Rx-Arzneimittel müssten von, aber nicht mehr in Apotheken abgegeben werden. Der Kunde brauche die Apotheke nicht zu betreten, wenn er es nicht wolle. „Es reicht aus, dass das Arzneimittel von der Apotheke mittels des Terminals nach außen an den Kunden abgegeben wird“, so die klare Botschaft.

Bei der Rx-Abgabe über das Terminal sahen die Richter aber gleichwohl die Dokumentationspflichten verletzt. So müsse der Apotheker die Verschreibung bei Unklarheiten vor der Abgabe des Arzneimittels ändern und dies auf dem Rezept vermerken sowie die Verordnung unterschreiben. Das konnte das Terminal nicht. Diese Verpflichtung dient aber aus Sicht der Richter der Arzneimittelsicherheit. „Im Zeitpunkt der Herausgabe des Arzneimittels soll eine Verschreibung vorliegen, die die Abgabe deckt und eine jederzeitige Rückverfolgung zulässt.“ Zudem sei nicht gewährleistet, dass die Änderung der Verschreibung stets von demjenigen unterschrieben werde, der sie veranlasst habe.

Zur OTC-Abgabe führten die Richter aus, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Versandhandels zwar bewusst die Inanspruchnahme der Beratung durch den Apotheker in die freie Entscheidung des Patienten gestellt habe. Das Terminal setzte das Gericht aber dabei nicht mit dem Versandhandel gleich: „Zwischen der Bestellung von Arzneimitteln im Versandhandel und der Abgabe von Arzneimitteln über ein außerhalb der normalen Öffnungszeiten einer Apotheke zugängliches Terminal bestehen rechtlich relevante Unterschiede.“

So werde der Versandhandel typischerweise „für den Bezug von Arzneimitteln genutzt, bei denen der Kunde keinen Beratungsbedarf sieht, weil ihm das Medikament bereits vertraut ist oder er jedenfalls nicht darauf angewiesen ist, es sofort verwenden zu müssen“. Das Terminal werde dagegen typischerweise eher als Ersatz für den Notdienstschalter der Apotheke angesehen – also „häufig in akuten oder vom Kunden jedenfalls als dringlich empfundenen Situationen“. Auf Beratung verzichte er in diesen Fällen nicht von sich aus.

In der Urteilsbegründung heißt es an dieser Stelle wörtlich: „Die Kontaktaufnahme mit einem Apotheker über Bildtelefon via Internet bietet keinen gleichwertigen Ersatz für eine persönliche Beratung; dies gilt erst recht in den Fällen, in denen die Anwendungsweise des Arzneimittels demonstriert werden muss oder es für den Apotheker von Bedeutung ist, den körperlichen oder seelischen Zustand des Kunden richtig zu erfassen.“

Die Abgabe freiverkäuflicher Arzneimitteln über das Terminal war aus Sicht des BVerwG unzulässig, da das Terminal dabei nicht mit einem Apotheker verbunden hatte. Die Produkte wurden nach Bezahlung vielmehr automatisch ausgegeben. Zwar könnten Verbraucher diese Produkte auch etwa in einem Drogeriemarkt im Wege der Selbstbedienung erhalten. Dort stehe aber immer eine Person mit Sachkenntnis zur Verfügung.

Grundsätzlich stellten die Richter fest, dass Apotheken eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und damit ein Gemeinschaftsgut von hohem Rang sicherten, das selbst empfindliche Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen könne. Der Gesetzgeber habe den Beruf des selbständigen Apothekers nach einer bestimmten Vorstellung von dem Berufsbild gestaltet. „Danach vereinigt der selbständige Apotheker in seiner Person die Verantwortung für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe aufgrund besonderer beruflicher Befähigung mit der privatwirtschaftlichen Funktion des Inhabers des Apothekenbetriebes.“

Der Automat von DocMorris unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von Visavia. Trotzdem lassen sich einige Aussagen des BVerfG auf den Fall übertragen. Und in einer Sache kann man sich sicher sein: Die Versandapotheke wird alle juristischen Mittel ausschöpfen, um ihren Arzneimittelautomaten durch zu bringen: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Europäischer Gerichtshof (EuGH) – die volle Kapelle.

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