Stunde der Wahrheit für Vivesco Alexander Müller, 22.03.2014 10:42 Uhr
Die Schicksalsstunde von Vivesco schlägt am kommenden Dienstag im hessischen Raunheim: Bei der Gesellschafterversammlung der Alliance-Kooperation sollen die rund 1100 Mitglieder über die Zukunft des Konzepts entscheiden. Stimmen mindestens 75 Prozent der Anwesenden für die Umbenennung, heißt die Kooperation schon im Juli Alphega, Vivesco würde als Marke verschwinden. Die Konzerführung will eine einheitliche europäische Marke, auf nationale Sentimentalitäten nehmen die Verantwortlichen für gewöhnlich keine übergroße Rücksicht. Auf der anderen Seite sind die Apotheker hierzulande nicht dafür bekannt, alles mit sich machen zu lassen. Ein Stimmungsbild.
„Ich fahre jetzt nicht extra nach Frankfurt, aber wenn das Profil der Kooperation geschärft wird, finde ich das gut“, sagt etwa eine Apothekerin aus Nordrhein-Westfalen. Ihr geht es vor allem um die Marketingmaßnahmen: „Die Aktionen sind genau richtig, wie das ganze heißt, ist mir ehrlich gesagt egal.“ Der Name Vivesco spiele in ihrer Apotheke bislang sowieso keine große Rolle.
Ähnlich sieht es ein Kollege aus Hessen: „Da sich Vivesco als Name noch nicht in der Breite durchgesetzt hat, finde ich die Umbenennung nicht so dramatisch.“ In großen Städten mit vielen Touristen könne eine europaweit einheitliche Marke wie Alphega von Vorteil sein.
Andere sehen in der Internationalisierung ein Risiko: „Wollen wir das wirklich? Wollen wir so aussehen wie Apotheken in Russland oder Italien? Unser Qualitätsstandard ist wesentlich höher, hier können wir nur verlieren“, sagt ein Apotheker aus Baden-Württemberg.
Viele wissen gar nicht, was sie im Falle einer Umbenennung erwartet. Durchgesickert ist über den Außendienst schon, dass die bislang moderaten Mitgliedsgebühren steigen werden und die verschiedenen Module einzeln bezahlt werden. Aber wie werden die Alphega-Apotheken aussehen? Welche Vorgaben gibt es bei der Umsetzung der Marke? Die Ungewissheit sehen einige als Indiz dafür, dass die Entscheidungen künftig nicht mehr bei der Kooperation getroffen werden, vom „Diktat aus England“ ist die Rede.
Überhaupt gibt es an der Basis große Skepsis gegenüber den Konzerninteressen im Hintergrund. Das Ziel sei die Abhängigkeit von Alliance Healthcare, so die Befürchtung. Die in Aussicht gestellten betriebswirtschaftliche Tools dienten letztlich nur dazu, dem Großhandel die eigenen betriebswirtschaftlichen Auswertungen offenzulegen. „Wenn der Geschäftspartner dann auch noch in Personalangelegenheiten Einblick erhält, ist das noch gesund?“, fragt sich eine Apothekerin.
Seinen Verbleib bei Vivesco respektive Alphega will ein Kollege davon abhängig machen, in welche Richtung die Kooperation steuert: „Wenn ich zugemüllt werde mit Produkten und zu viele Vorschriften bekomme, werde ich die Reißleine ziehen“, sagt er. Noch könne er sich als freier Apotheker fühlen, aber ein „amerikanisches Presssystem“ werde er nicht mitmachen, sagt er mit Blick auf die anstehende Walgreens-Übernahme. Denn schon nach der Übernahme der Anzag durch Alliance sei der Kurswechsel beim Großhändler recht ernüchternd gewesen.
Für eine Apothekerin aus Sachsen-Anhalt ist deshalb bereits klar, dass sie das Konzept verlassen und den Großhändler wechseln wird. „Die Betreuung ist nicht mehr so, wie sie einmal war“, klagt sie. Auch hätten zuletzt die Ansprechpartner im Außendienst öfter gewechselt.
Sie befürchtet, dass den Apothekern durch den Einfluss des Konzerns immer mehr Entscheidungen aufgedrängt werden. Da ihre Apotheke ohnehin sehr Rx-lastig sei, nutze ihr eine Kooperation wenig – obwohl alle anderen Großhändler in den vergangenen Wochen mit ihren eigenen Konzepten vorstellig geworden seien.
Und dann ist da noch das politische Signal. Welchen Eindruck, fragt sich so manches Mitglied, hinterlässt die inhabergeführte Apotheke bei der Politik, wenn mehrere hundert von ihnen gleichzeitig umfirmieren? Dass die Fremdbesitzdebatte neue Fahrt aufnehmen könnte, nutzt auch der Außendienst der Konkurrenz seit Wochen als düstere Prognose. Das halten andere für Panikmache: „Das Horrorgespenst der Apothekenketten verfolgt uns doch schon seit 30 Jahren“, sagt eine Apothekerin aus dem Ruhrgebiet.
Ob beim „Alphega-Europakongress“ in Monaco und bei den zahlreichen Regionalveranstaltungen genug Apotheker für Alphega begeistert werden konnten, wird der Dienstag zeigen. Für Alliance kommt es darauf an, möglichst viele Überzeugte nach Frankfurt/Raunheim zu holen. Weil die Abstimmung an einem Dienstagnachmittag stattfindet, wird vermutlich nur ein kleiner Teil der Mitglieder über die Zukunft der Kooperation entscheiden. Das macht den Ausgang so ungewiss für beide Seiten.
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