Video-Sprechstunden aus der Offizin

Apomondo: Apotheker entwickeln kostenloses Telepharmazie-Portal

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Berlin -

„Digitalisiert euch endlich – und macht es am besten selbst“, schallt es den Apothekern seit Jahren aus der Politik entgegen. Vielerorts herrscht jedoch noch Misstrauen, entweder sehen sich die Betriebe schon als digitalisiert genug oder sie haben Vorbehalte gegenüber branchenfremden Drittanbietern, die an ihnen verdienen wollen. Ein Team aus bayerischen Apothekern will dem nun etwas entgegensetzen: Mit Apomondo wollen sie die Telepharmazie in den Offizinen etablieren – für teilnehmende Apotheken kostenlos und bereits mit einem Blick auf pharmazeutische Dienstleistungen, die künftig von den Kassen honoriert werden sollen.

Mitten in der Krise gehen wenige Anbieter mit neuen Produkten in den Markt – zu groß ist die Unsicherheit, ob sie im Moment durchstoßen können. Bei Apomondo ist das anders. „Wir haben Anfang April entschieden, schon während der Krise in den Markt zu gehen, weil der Bedarf der Apotheken gerade besonders groß ist“, sagt Margit Schlenk, Inhaberin der Moritz-Apotheke in Nürnberg. Mit drei weiteren Apothekern und einem Projektmamanager hat sie das Projekt Apomondo aus der Taufe gehoben. Ihre Mitstreiter sind Wolfgang Kuhn von der Sonnenapotheke Peissenberg, Dr. Elvan Erdal von der Rosen Apotheke Garbsen, Stefan Frank von der Ronneburg Apotheke Langenselbold und Dr. Uwe Gebauer von der GB Projektkontor.

„Wir sind eine Gruppe befreundeter Apotheker aus ganz Deutschland, die sich regelmäßig trifft“, erklärt Schlenk. Anfang Januar sei bei einem Brainstorming die Idee aufgekommen, den kommerziellen Telemedizin-Anbietern etwas aus der Apothekenbranche entgegenzusetzen. „Und dann ging alles ganz schnell“, sagt sie. Die Begriffe „Apomondo“ und „Tele-PTA“ haben sie sich direkt schützen lassen und mit Gebauer, einem Schulfreund Schlenks, direkt einen Fachmann für Projektentwicklung an Bord geholt. Die Apomondo GmbH befindet sich gerade in Gründung.

„Uns hat es gereicht, dass in der Krise die Apotheken vergessen werden. Wir wollten zeigen, dass wir proaktiv und innovativ sind, dass wir handeln und uns nicht behandeln lassen. Dabei war uns sehr wichtig, dass das von Apothekern für Apotheker ist, rein aus dem Berufsstand heraus und ohne Interessen Dritter“, erklärt Schlenk ihren Antrieb. „Unsere Motivation war aber auch, der Bevölkerung in der Krise zu zeigen, dass sie sich auf die Apotheken verlassen kann. Wenn sie zuhause bleiben, kommen wir zu ihnen, und zwar nicht mehr nur mit dem Botendienst, sondern nun auch mit der Beratung.“

Das soll sich nach Schlenks Darstellung ganz einfach gestalten: Technisch sei der Telepharmaziedienst in den allermeisten Apotheken problemlos nutzbar, denn es braucht lediglich einen internetfähigen Rechner. Auf der Apomondo-Homepage muss sich die Apotheke lediglich eintragen und freischalten lassen. Dazu ist allerdings die Betriebserlaubnis notwendig, um sich als Apotheke auszuweisen. Auf Anfrage stellt Apomondo eine Gebrauchsanweisung und Betreuung bei der Einrichtung per E-Mail oder Telefon zur Verfügung.

Die Apothekenmitarbeiter können dann mit den Patienten Telepharmazie-Sprechstunden vereinbaren. Der Patient erhält einen Einwahlcode für eine Videosprechstunde auf der Apomondo-Seite. Der Dienst ist am Netz, knapp 100 Apotheken seien bereits angemeldet und nutzen ihn – auch Schlenk selbst. „Es funktioniert sehr gut und die Menschen, die es ausprobiert haben, fanden es auch großartig“, sagt sie. So habe sie beispielsweise einen Patienten gehabt, der Beratung zur Anwendung eines Asthmasprays benötigte. Derartige Beratungsleistungen ließen sich ausgezeichnet per Telepharmazie erledigen: Schlenk erklärte ihm nicht nur, wie es funktioniert. „Umgekehrt – und das ist noch wichtiger – konnte mir der Patient auch zeigen, wie er das Asthmaspray anwendet, und ich sehe dann, ob er Fehler macht“, erklärt sie. „Das unterscheidet uns von YouTube.“

Aber auch komplexere Beratungsdienstleistungen könnten problemlos über die Seite erfolgen, erklärt Schlenk: So können auch AMTS-Projekte wie ATHINA oder ARMIN eingebunden werden. Der Apotheker analysiert einen Medikationsplan und bespricht ihn dann online mit dem Patienten. Ebenso gäbe es in der Prävention sehr viele Anknüpfungspunkte wie die Förderung der Herzgesundheit oder Diabetesberatung mit strukturierten und evaluierten Programmen der Apotheker wie Glicemia. „Auch von den Kassen zu honorierende Leistungen können über die Telepharmazie abgebildet werden“, versichert Schlenk mit einem Blick auf die Debatte um die pharmazeutischen Dienstleistungen. „Es kann ja grundsätzlich minutenweise oder pro Beratungsfall abgerechnet werden. Wir haben dann auch die notwendigen Tools zur Verfügung und sind da offen für alle Angebote vonseiten der Kassen.“

Gerade in Zeiten wie der jetzigen könne man durch Telepharmazie unnötige Sozialkontakte vermeiden – der Patient muss nicht nochmal extra in die Apotheke kommen, wenn er Fragen zu einer Anwendung oder seinem Medikationsplan hat. Man muss ihn nur auf die Möglichkeit hinweisen. Schlenk macht das in ihrer Apotheke mit Flyern. Aber auch das Marketing für die Anwendung soll bald Fahrt aufnehmen. Bisher lief das eher über persönliche Bekanntschaften und soziale Netzwerke, bald wolle Apomondo die eigene Marke aber bekannter machen, auch durch bereits vereinbarte Medienbeiträge, unter anderem mit dem Bayerischen Rundfunk.

Bisher ist Apomondo ein reines Zuschussgeschäft, die Gründung erfolgte komplett aus Eigenmitteln – und das Angebot soll kostenlos bleiben. Dass es irgendwann Werbeverträge gibt, also im Portal Reklame geschaltet wird, könne sie sich vorstellen, das sei aber noch nicht für die nahe Zukunft geplant. „Viel Herzblut heißt auch viel persönliche Arbeit, die wir derzeit einbringen“, sagt Schlenk. „Klar gehen wir damit in Vorleistung, aber das ist unser Engagement für den Berufsstand. Wenn wir diesen Digitalisierungsschub nicht mitgehen, zieht er an uns vorbei, und wer sich nicht für die Zukunft bereit macht, der hat keine Zukunft.“

Zukunftsfähig will das Apomondo-Team die Apotheken mit der Telepharmazie aber nicht nur vis-à-vis den Kunden machen, sondern auch mit Blick auf zukünftige Beschäftigungsmodelle. Denn gerade in einer Branche mit einem so hohen Frauenanteil seien Themen wie Teil- oder Elternzeit stets relevant – die bisherigen Gegebenheiten in Apotheken bieten jedoch nicht die Flexibilität, die es in anderen Branchen bereits gibt. „Wir sehen mit Apomondo auch die Möglichkeit, beispielsweise aus dem Homeoffice Beratung anzubieten. Warum sollte eine Kollegin in Teil- oder Elternzeit nicht von zuhause aus Medikationsmanagement oder andere Beratungsleistungen erbringen können? Das sind große Potenziale!“

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