Apobank liefert sich Schlammschlacht mit Dienstleister APOTHEKE ADHOC, 13.11.2020 15:20 Uhr
Nach dem IT-Desaster bei der Apobank erhebt der Vorstandsvorsitzende Ulrich Sommer schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen IT-Dienstleister seines Hauses. Der wiederum kontert mit Gegenvorwürfen. Beide schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe.
Das Debakel bei der Datenmigration sei ein „Tiefschlag“ gewesen, „den man seinen größten Feinden nicht wünscht“, erklärte Sommer am Mittwoch gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Das genossenschaftliche Geldhaus hat nach wie vor mit den Folgen IT-Umstellung zu kämpfen, immer noch gibt es Probleme bei Last- und Rücklastschriften. Nach jetzigem Stand soll die Nachbearbeitung noch bis zum 31. März dauern. „Wir arbeiten weiter mit Hochdruck an der Behebung der letzten Fehler. Danach ist die Basis gelegt, um unsere Kunden optimal wettbewerbsfähig digital bedienen zu können“, wird Sommer zitiert. „Viele unserer Wettbewerber haben eine neue IT-Migration noch vor sich. Wir wünschen ihnen viel Glück dabei. Als Vorreiter kennen wir nun die Komplexität.“
Diese Komplexität ist – zumindest nach Sommers Darstellung – nicht nur technischen Details geschuldet, sondern auch der Zusammenarbeit mit den beiden IT-Dienstleistern Fiducia & Gad sowie Avaloq. Denn das Desaster hat seinen Ursprung demnach im Jahr 2015: Damals schrieb die Apobank den Auftrag für ein neues Kernbanksystem – an das 230 Subsysteme angeschlossen sind – aus. Offenbar überraschend für Branchenkenner ging der Zuschlag aber nicht an den langjährigen Dienstleister Fiducia, sondern an das Schweizer Unternehmen Avaloq. Einer der wesentlichen Gründe für die Entscheidung: Die Apobank steht als größte deutsche Genossenschaftsbank anders als andere Fiducia-Kunden seit 2014 unter der Europäischen Bankenaufsicht der EZB und muss deshalb anders bilanzieren als kleinere Geldhäuser. Fiducia wäre deshalb erst 2021 in der Lage gewesen, die Apobank-IT dafür anzupassen.
Avaloq konnte es ein Jahr schneller. Drei Jahre und einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag kostete die Umstellung die Apobank – und dann ging alles katastrophal schief. In der FAZ schiebt Sommer nun den Schwarzen Peter weiter: Man habe die Beratungsfirma Deloitte damit beauftragt, eine forensische Fehleranalyse zu erstellen, und die sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Apobank nichts falsch gemacht habe. „Unser Vorgehen und die Auswahl unserer Partner war richtig“, so Sommer. „Es gibt keine singuläre Ursache für die Fehler, sondern die Komplexität der zeitgleichen Umstellung des Kernbanksystems mit 230 Subsystemen war ausschlaggebend. Erschwerend war die gleichzeitige Umstellung von Hard- und Software.“
Denn zwar sei bei dem „Jahrhundertprojekt“, wie Sommer es nennt, anfangs alles gut angelaufen – doch Anfang 2018 habe Fiducia dann plötzlich mit schlechten Nachrichten aufgewartet: Die Fiducia-Hardware und die Avaloq-Software seien nicht kompatibel, ein Mischbetrieb nicht erwünscht. Doch da sei es schon zu spät gewesen, es habe „kein organisatorisches und betriebswirtschaftliches Zurück“ mehr gegeben. Die Apobank sei deshalb gezwungen gewesen, „einen Big Bang vorzunehmen und Hardware und Software gleichzeitig umzustellen – ein Risiko, das wir gerne vermieden hätten“.
Wurde die Apobank also von der Fiducia-Ankündigung kalt erwischt? Der IT-Dienstleister weist das entschieden zurück: „Die Migration der Apobank auf die neue IT war von Beginn an als kompletter Systemwechsel angelegt. So war es seinerzeit in der Ausschreibung vorgesehen, und ein Mischbetrieb stand für die Fiducia & Gad von vornherein außer Frage“, wehrt sich das Unternehmen. „Darüber war die Apobank seit Beginn des Migrations- beziehungsweise Demigrationsprojektes informiert.“ Ob vorher informiert oder nicht: Die Apobank musste schließlich die Avaloq-Software unmittelbar auf die Hardware des neuen Anbieters DXC installieren. Der wiederum habe in den ersten Wochen keinen reibungslosen Ablauf gewährleisten können – zur Überraschung des Apobank-Chefs. Die ursprünglich für den 1. März geplante Umstellung musste um drei Monate verschoben werden. „Erst Ende Mai standen alle Ampeln auf Grün“, so Sommer.
Dann begann das Debakel. Nach Einführung des neuen Kernsystesm seien viele der Subsysteme nicht mehr gelaufen. Und nicht nur das: Auch das Onlinebanking und die Telefonanlage laufen über das neue System und waren damit ausgeknockt. In der Folge war die Bank auch für ihre Kunden kaum zu erreichen und musste ein externes Callcenter einrichten, das außerhalb des neuen Systems lief. Ein Krisenstab aus Technikern und Betriebsleitern sollte die Situation retten. Und dann schaltete sich auch noch die Bankenaufsicht ein und verlangte regelmäßige Auskunft über die Fehler und die Maßnahmen dagegen.
Den Grund dafür, dass Lastschriften und Daueraufträge nicht ausgeführt werden konnten, verortet Sommer erneut bei Fiducia: Es sei ursprünglich vereinbart gewesen, dass der Dienstleister den Zahlungsverkehr, der an ihn ausgelagert worden war, auch nach der Avaloq-Einführung weiterführt. „Erst später“ habe Fiduca die Apobank informiert, dass das nicht geht. „Avaloq musste deshalb zusätzlich unseren Zahlungsverkehr programmieren“, so Sommer. Auch hier widerspricht Fiducia vehement: „Eine Fortführung des Zahlungsverkehrs mit den Systemen der Fiducia & Gad war vor dem Hintergrund eines klaren Verantwortungsschnittes und einer Minimierung der Risikostrecke Zahlungsverkehr durch verschiedene Provider nicht opportun.“
Doch Sommer beharrt auf seiner Sichtweise: „Das Projekt war mit dem Ziel gestartet, den Zahlungsverkehr unverändert bei der Fiducia & Gad/ DZ Bank zu belassen“, sagt er. Fiducia und das genossenschaftliche Spitzeninstitut DZ Bank hätten die Leistungserbringung jedoch 2018 abgelehnt. Zwar habe die DZ Bank diese Entscheidung später zurückgenommen. „Allerdings wurde der Serviceschnitt verändert und die Schnittstelle zur Fiducia nicht mehr zur Verfügung gestellt.“ Also musste Avaloq ran.
Sommer zeigt sich trotz der Probleme bei der Einführung überzeugt vom neuen IT-System. Denn es erlaube perspektivisch eine noch bessere Betreuung der Kunden – was sich auch organisatorisch widerspiegeln soll. So wolle die Apobank ihren Kunden künftig schon zu Beginn der Kundenbeziehung einen lebenslangen Berater zur Seite stellen. „Ich bin sehr dankbar dafür, dass unsere Kunden so treu zu uns halten“, sagt er. „Wir haben keine spürbar höheren Kundenabgänge als sonst, sondern eher Hinweise auf Fehler, mit denen die Kunden uns bei der schnellstmöglichen Behebung von Fehlern unterstützen möchten. Das zeigt, wie stark verwurzelt die Apobank im Gesundheitsmarkt ist.“