Versandapotheken

Apo-Discounter: Risiken ohne Nebenwirkungen Alexander Müller, 13.06.2018 14:00 Uhr

Berlin - 

Vergisst ein Versender, ein OTC-Arzneimittel auf seiner Homepage mit dem Pflichttext zu den Risiken und Nebenwirkungen zu versehen, droht rechtlicher Ärger. Apo-Discounter wollte offenbar auf Nummer sicher gehen und hat den Hinweis unter jedem Artikel eingeblendet – auch bei Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetik. Die Wettbewerbszentrale fand das irreführend, scheiterte mit ihrer Klage aber in erster Instanz.

Aus Sicht der Wettbewerbszentrale werden die Produkte durch den Standardhinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ aufgewertet. Denn der Verbraucher kenne diesen Satz gut und verbinde ihn mit – hochwirksamen – Arzneimitteln. Die Angabe des Warnhinweises bei Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln oder Kosmetikprodukten sei irreführend.

Gerade bei NEM an der Grenze zum Präsentationsarzneimittel könne der Satz Verwirrung stiften, fand die Wettbewerbszentrale und klagte vor dem Landgericht Leipzig. Doch die Klage wurde abgewiesen.

Laut der Begründung des Gerichts liegt kein Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und keine Täuschung im Sinne der Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) vor, zumal die Verwendung des Warnhinweises für „Nicht-Arzneien“ eben nicht ausdrücklich verboten sei. Zwar dürften Lebensmitteln in der Werbung keine „Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit“ zugeschrieben werden, das sei aber durch einen bloßen Warnhinweis auch nicht der Fall. Ebenso sei nicht ersichtlich, welche konkrete (nicht vorhandene) Wirkung oder Eigenschaft durch den Warnhinweis den Nahrungsergänzungsmitteln zugeschrieben werden soll.

Lebensmittel dürften laut Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) nicht den Anschein eines Arzneimittels oder dessen Wirkungen haben, etwa mit Bezug auf Vorbeugung, Behandlung oder Heilung von Krankheiten. Bei Nahrungsergänzungsmitteln kann das laut Rechtsprechung auch der Fall sein, wenn die Produktbezeichnung, Schriftbild oder Farbe an bekannte Arzneimittel des gleichen Herstellers erinnert. Das Produkt wird in diesem Fall rechtlich behandelt wie ein Präsentationsarzneimittel.

Es geht aber aus Sicht des Gerichts viel zu weit anzunehmen, dass ein aufgeklärter Verbraucher alleine auf Grund der Verwendung des Pflichttextes zu Risiken und Nebenwirkungen zu dem Schluss kommt, dass es sich um ein Arzneimittel handelt. Es sei allgemein bekannt, dass Apotheken nicht nur Arzneimittel verkaufen dürfen, sondern auch Drogerieprodukte. Apo-Discounter bietet solche Produkte auf der Homepage sogar in der Kategorie „Drogerie“ an.

Deshalb kommt es nach der Überzeugung des Gerichts immer auf den Einzelfall an. Pauschal – wie von der Wettbewerbszentrale gefordert – lässt sich der Satz unter Produkten, die offensichtlich kein Arzneimittel sind, demnach nicht verbieten. Die Richter hatten auf diesen Umstand in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, doch die Wettbewerbszentrale war bei ihrem Antrag geblieben. Aus deren Sicht hat nämlich der überobligationsmäßige Warnhinweis schon eine irreführende Wirkung. Das Gericht sah dies anders.

Mit dem Hinweis möge der Verbraucher ja vertraut sein, aber entscheidend sei, „dass/ob er damit gerade nur in Bezug auf Arzneimittel im rechtlichen Sinne vertraut ist und ob er ausgehend von diesem ersten Schritt dann ebenso noch den weiteren Schritt geht, daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass alle Produkte, die mit jenem Hinweis beworben werden, notwendig auch Arzneimittel sind oder (dann) – weitergehend als vorstehend – zumindest davon ausgeht, dass solche damit beworbenen Nahrungsergänzungsmittel wirksamer sein müssten als andere damit nicht beworbene“, führt das Gericht etwas umständlich aus. Der Gedanke jedenfalls verschließe sich der Kammer.

Ganz abgesehen von einem mittlerweile doch weiter verbreiteten Misstrauen gegen nicht aus der Natur gewonnenen Heilmitteln wisse der Verbraucher womöglich, dass es oft nur eine Frage der Dosierung ist, ob ein Stoff als Heilmittel oder Gift wirkt. Aber es sei zu viel verlangt, von einem Verbraucher zu erwarten, er kenne den rechtlichen Unterschied zwischen einem Nahrungsergänzungsmittel und einem OTC-Präparat. Auch bei Kosmetikprodukten würden Verbraucher laut Urteil nicht erwarten, dass es sich dabei um eine Arzneimittel handelt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Wettbewerbszentrale hat gegenüber APOTHEKE AHDOC bereits angekündigt, gegen die Entscheidung in Berufung zu gehen. Nächste Station ist das Oberlandesgericht Dresden.