Machtwechsel bei Apo-Discounter: Nur wenige Wochen nach der Übernahme der Mehrheitsanteile hat die Familie um Tobias Hagenmeyer sich jetzt mehr als drei Viertel an der Firma Apologistics gesichert, die hinter der Versandapotheke steht. Damit wären sogar Satzungsänderungen gegen den Willen von Firmengründer Michael Fritsch möglich.
Nach einer neuerlichen Kapitalerhöhung hält die Hagenmeyer-Familie aktuell 75,2 Prozent an der Holding von Apologistics. Die Firma wickelt wesentliche Teile des operativen Geschäfts ab und hält außerdem die Marken- und Domainrechte. Damit liegt bei der Investorenfamilie nunmehr die laut GmbH-Gesetz notwendige Mehrheit, um selbst Satzungsänderungen beschließen zu können. Der Anteil der schweizerischen Holding Aposwiss, über die Fritsch und seine Familie an Apologistics beteiligt sind, liegt entsprechend nur noch bei 24,8 Prozent.
Im Februar 2018 war die Hagenmeyer Familie über ihre Beteiligungsfirma THI bei Apo-Discounter eingestiegen. Auf 60 Millionen Euro summierte sich das Investment der ehemaligen Eigentümer des Getriebebauers Getrag zunächst. Nach einer ersten Kapitalerhöhung im Dezember stockte THI Mitte Juni den Anteil für zehn Millionen Euro von 45 auf knapp etwas mehr als 50 Prozent auf – erstmals verfügte Fritsch damit nicht mehr über die einfache Mehrheit, um Gesellschafterbeschlüsse durchsetzen zu können.
Zu den Hintergründen wollte sich Fritsch seinerzeit auf Nachfrage nicht äußern; nach Veröffentlichung eines entsprechenden Berichts bei APOTHEKE ADHOC schickte er aber einen Brief an rund 450 Geschäftspartner. Darin stellte er klar, dass er keineswegs beabsichtige, sich zurückzuziehen, sondern nach wie vor über entsprechende Entscheidungsbefugnisse verfüge. Auch bleibe er Geschäftsführer. „Es gab und gibt keinen Führungswechsel auf Gesellschafterebene“, so Fritsch. Schon in der Vergangenheit hätten er und THI einen partnerschaftlichen Umgang miteinander gepflegt, daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern. „An der grundsätzlich gemeinsam erfolgenden Entscheidungsfindung hat sich nichts geändert.“
Umso spannender ist die neuerliche Anteilsverschiebung, auch mit Blick auf die für Herbst geplante Eröffnung eines neuen Logistikzentrums im niederländischen Duiven. Die Niederlassung ist, was Größe, Investment und Kapazität angeht, dreimal so groß wie die bisherige in Leipzig: Im Gewerbegebiet Centerpoort-Noord, direkt an der A12 und in der Nähe des größten DHL-Standorts in Europa gelegen, hat sich die Firma eine Halle mit einer Gesamtfläche von rund 20.000 Quadratmetern gesichert. Das Anlagevermögen summiert sich nach Firmenangaben auf mehr 75 Millionen Euro, das Potenzial des Standorts wird mit 750 Millionen Euro angegeben.
In den Niederlanden könnte ein Investor aber auch – anders als in Deutschland – Zugriff auf die Apotheke nehmen. Bislang wird das Versandgeschäft von Apo-Discounter über die Apotheke im Paunsdorf-Center bei Leipzig abgewickelt, die Fritschs Ehefrau Kirsten gehört.
Beim Einstieg des Investors vor einem Jahr deutete nichts auf irgendwie gearteten Abschied des Apotheker-Ehepaars hin. „Mit Unterstützung von THI werden wir in der Lage sein, unser Geschäft auszuweiten, unsere Technologieplattform zu stärken und ein aktiver Konsolidierer im Markt zu sein“, freute sich Fritsch über seinen neuen Partner. Er vertritt die Position, dass sich ein potenzieller neuer Anbieter wie Amazon im Falle eines strategischen Markteintritts auf „Best-Practice-Unternehmen“ fokussieren wird, zu denen Apologistics zählen soll.
Mihir Kotecha, CEO von THI, bezeichnete Apologistics als Innovationsführer: „Das Unternehmen ist sehr gut positioniert, um vom erheblichen Wachstum des Online-Handels mit OTC-Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten zu profitieren – mit dem Potenzial, in den kommenden Jahren ein Marktführer zu werden.”
Finanzierungspartner der ersten Stunde war Disko; die Leasingsparte von GE Capital stellte das notwendige Kapital für die Kommissionieranlage zur Verfügung. 2013 stieg Dr. Gerhard Köhler, ehemaliger Banker und Großaktionär beim Fotoanbieter Orwo, mit zwei Millionen Euro zunächst als stiller Gesellschafter bei Apologistics ein. Nach Umwandlung ein Jahr später gehörten ihm bis zur Ablösung durch THI rund 5 Prozent der Anteile.
In den Anfängen von Apo-Discounter 2004 wurden rund 50 Aufträge pro Tag manuell bearbeitet. Später wurden Automaten angeschafft, 2007 wurde das Versandgeschäft ausgelagert: In Markkleeberg am anderen Ende von Leipzig wurde das Logistikzentrum mit 6500 Quadrartmetern eröffnet. Rund 15.000 Pakete werden nach Firmenangaben pro Tag verschickt.
2017 hatte Apo-Discounter Internetseite und Kundenstamm des Konkurrenten Medipolis aus Jena übernommen. 2018 folgte mit der Deutschen Internet Apotheke (DIA) der zweite Versender innerhalb kurzer Zeit. Später wurde außerdem das Versandgeschäft von Juvalis und Apolux übernommen. Apo-Discounter ist außerdem unter Apo.com, Apotheke-online.de und Versandapo.de zu erreichen. Apo-Discounter.pl richtet sich an eine polnische Klientel, Cn.apo.com an chinesische Kundschaft. Verkauft werden Produkte auch über Amazon und Ebay. Bereits 2010 wurde Apo-Discounter außerdem zur offiziellen Lidl-Partnerapotheke.
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