Grau, teurer Freund, ist alle Theorie – das gilt auch für EDV-Systeme in der Apotheke. Schwächen in der Warenwirtschaft fallen häufig erst in der Praxis auf. Ein guter Kontakt zu den Anwendern ist daher Gold wert. Das Softwarehaus Awinta hat genau dieses Pfund anscheinend ein bisschen verspielt: Der Prokas-Anwenderverein hat seine Verbindung zur Zentrale in Bietigheim-Bissingen gelockert, der langjährige Vorsitzende ist zurückgetreten. Die Nutzer waren mit der Entwicklungsgeschwindigkeit bei Prokas nicht mehr einverstanden.
Der Prokas-Anwenderverein vertritt nach eigenen Angaben rund 900 Apotheken, inklusive Filialbetrieben. Die Gruppe hilft seit vielen Jahren dabei, das System an den Bedürfnissen der Nutzer auszurichten und neue Lösungen mitzuentwickeln. Mehrmals im Jahr setzt man sich mit der Awinta-Geschäftsführung zusammen, Telefonate gibt es fast wöchentlich. Als Schnittstelle zur Zentrale von Awinta fungiert eine Softwarekommission, die ihre Vorstellungen bislang direkt in den Entwicklungsplan von Prokas eingebracht hat.
Doch damit soll nun Schluss sein. An der Weiterentwicklung der Software will sich der Anwenderverein laut dem bisherigen Vorsitzenden Dr. Thorsten Batzdorf nicht mehr beteiligen, sondern sich nur noch auf die Betreuung der Mitglieder konzentrieren. „In den vergangenen Jahren ist immer weniger auf den Anwenderverein gehört worden“, begründet Batzdorf die Entscheidung des Vereins, zu dem auch das Datenpanel Pharma Benchmark gehört.
Als Beispiel nennt er die Weiterentwicklung des Systems in Richtung der pharmazeutischen Betreuung. „Da reden wir schon seit sehr langer Zeit über verschiedene Punkte, die verbessert werden könnten“, so Batzdorf.
Der ehemalige Vorsitzende will die Software gar nicht schlecht reden. Solche Probleme gebe es aus seiner Erfahrung auch bei anderen Softwarehäusern oder den anderen Produktlinien von Awinta. Aber immer wieder auf dieselben Fehler hinweisen zu müssen, war aus seiner Sicht irgendwann nicht mehr effizient.
Bei der Expopharm in München erklärte Batzdorf der versammelten Geschäftsführung seinen Rücktritt als Vorsitzender des Vereins. Im Vorfeld der Messe hatte es in der Gruppe einige Diskussionen über die künftige Zusammenarbeit mit Awinta gegeben. Mit dem gewählten Zeitpunkt wollte man gegenüber dem Softwarehaus durchaus ein Zeichen setzen.
Bei Awinta setzt man weiterhin auf einen engen Kontakt zu dem Verein: „Der enge Austausch mit den Anwendern hat eine hohe Priorität für die Awinta. Daher wird der offene Dialog und die Zusammenarbeit mit dem Prokas-Anwenderverein auch in Zukunft fortgeführt“, so ein Sprecher des Softwarehauses.
Batzdorfs Ausstieg ist ein Einschnitt: Seit 1994 war der Apotheker in der Softwarekommission aktiv – erst von ProMedisoft, später von Awinta. Zwölf Jahre lang war Batzdorf Vorsitzender des Anwendervereins. „Ich bin mit Sicherheit nicht leichten Herzens gegangen“, sagt Batzdorf, der zusammen mit seiner Frau die Mühlen-Apotheke im niedersächsischen Hänigsen betreibt.
Jetzt plant Batzdorf einen neuen Anwenderservice: Er will Prokas-Nutzer telefonisch oder per Fernwartung betreuen, bei Bedarf auch mal Vor-Ort-Termine wahrnehmen. Batzdorf soll den neuen Service für den Verein aufbauen, gegebenenfalls später weitere Mitarbeiter bekommen.
Finanziert werden soll der Service über Gebühren. Neben dem Jahresbeitrag für den Verein von derzeit 175 Euro sollen den Mitgliedern Betreuungspakete zur Lösung ihrer Softwareprobleme angeboten werden. Die Kosten stehen noch nicht im Detail fest, als Richtwert nannte Batzdorf 300 Euro für drei bis vier Kontakte à circa drei Stunden pro Jahr. Am Ende müsse das System kostendeckend arbeiten und der Verein vielleicht eine kleine Rücklage aufbauen können, so Batzdorf.
Wie eng die Zusammenarbeit mit Awinta künftig laufen wird, hängt auch von Hans Jacob ab. Der Apotheker aus Wachenheim hat als Vorsitzender des Anwendervereins von Batzdorf übernommen. Jacob war zuvor schon Vize des Vereins.
Awinta war im Jahr 2009 aus dem Zusammenschluss der VSA Apothekensysteme und Pro Medisoft entstanden; in den vergangenen Jahren hatte es mehrfach Wechsel in der Geschäftsführung gegeben. Auch nach der kompletten Übernahme durch das Rechenzentrum hatte die Unternehmensspitze aber versichert, dass alle Warenwirtschaftssysteme – Prokas, Jump, Infopharm und Pharmasoft – weiter zu unterstützen.
Das Unternehmen aus Bietigheim-Bissingen ist laut eigenen Angaben mit rund 7000 Kunden in Deutschland Marktführer für Apothekensoftware. Vor einem Jahr hatte Awinta sein Netz an Geschäftsstellen hierzulande um drei Standorte erweitert. Die Zahl der Beschäftigten wurde nicht aufgestockt. Insgesamt beschäftigt die Firma 700 Mitarbeiter in Deutschland, Österreich und in der Schweiz.
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