Anti-Korruptionsgesetz

„Das ist heute verboten und künftig strafbar“

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Berlin -

Das Anti-Korruptionsgesetz im Gesundheitswesen wirft auch für Apotheken viele Fragen auf: Welche Kooperationen mit Ärzten sind künftig noch zulässig? Wann werden Einkaufsvorteile der Industrie problematisch? Der Strafrechtsprofessor Dr. Hendrik Schneider hat sich eingehend mit dem Thema befasst. Mit APOTHEKE ADHOC sprach der Experte von der Universität Leipzig über Abendessen mit Herstellern, entkriminalisierte Bezugsentscheidungen, und warum er froh ist, nicht im Kommunismus zu leben.

ADHOC: Was ist künftig mit Sicherheit noch erlaubt?
SCHNEIDER: Dies im Detail zu beantworten, wäre Kaffeesatzleserei, weil das Gesetz noch nicht verabschiedet ist. Aber grundsätzlich sehe ich den ganzen OTC-Bereich, wo vieles über den Preis geregelt wird, als eher unproblematisch an. Wettbewerbsrechtlich zulässige Rabatte werden keine strafrechtliche Relevanz haben. Denn das Strafrecht hängt immer von anderen Rechtsnormen ab. Der Jurist spricht von der asymmetrischen Akzessorietät. Was in anderen Rechtsgebieten explizit erlaubt ist, kann durch das Strafrecht nicht verboten werden.

ADHOC: Und wo wird es problematisch?
SCHNEIDER: Kritischer könnten Sell-out-Rabatte sein, die der Apotheker vom Hersteller erhält, wenn er bestimmte Absatzschwellen erreicht. Hier ist das Argument, dass dieser Anreiz zu einer tendenziösen Beratung führen kann. Damit wäre dann die heilberufliche Unabhängigkeit im neuen Strafrechtsparagraphen berührt. Problematisch wird es immer, wenn der Rabatt eines Produktes auf die Abgabe im Einzelfall durchschlägt.

ADHOC: Bleiben laufende Verträge unberührt?
SCHNEIDER: Nein, das kann man so nicht sagen. Es gibt im Strafrecht zwar das Rückwirkungsverbot. Aber das bezieht sich in diesem Fall nicht auf die Vereinbarung, sondern auf die Verwirklichung des Straftatbestands. Wenn eine heute versprochene Rückvergütung nach Inkrafttreten des Gesetzes ausgezahlt wird, ist der neue Strafrechtsparagraph anwendbar.

ADHOC: Das heißt, ein Apotheker müsste die Ausschüttung in diesem Fall ablehnen?
SCHNEIDER: So sieht es aus.

ADHOC: Wurden Einkaufsvorteile in der Kabinettsfassung nicht bewusst ausgeklammert?
SCHNEIDER: Das ist richtig. Der überarbeitete Entwurf ist ersichtlich von dem Gedanken getragen, einen Unterschied zu schaffen zwischen dem Bezug von Arzneimitteln einerseits und ihrer Verordnung und Abgabe andererseits. Das war aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Punkt in der Überarbeitung: Bezugsentscheidungen zu entkriminalisieren.

ADHOC: Wie verhält es sich beim Großhandel?
SCHNEIDER: Auch hier gilt: Der Gesetzgeber will nicht jeden Verstoß gegen die Rabattbestimmungen zu einer Straftat stilisieren. In der aktuellen Fassung des Gesetzentwurfs ist beim Bezug von Arzneimitteln die unlautere Bevorzugung ausgeklammert worden. Es geht nun also „nur noch“ um die heilberufliche Unabhängigkeit.

ADHOC: Das heißt, der Apotheker darf weiterhin Kaufmann sein?
SCHNEIDER: Ja, der Apotheker ist ein seiner Einkaufsentscheidung weitgehend frei. Alles andere wäre auch ein weitreichender Eingriff in den Gewerbetrieb und die freiberufliche Tätigkeit des Apothekers. So weit auf dem Weg in den Kommunismus sind wir glücklicherweise noch nicht.

ADHOC: Wie können Hersteller auf Nummer Sicher gehen?
SCHNEIDER: Wenn ihnen individuelle Rabatte zu heiß sind, können sie die Konditionen über den Großhandel puffern. Dann weiß der Hersteller nicht, bei wem seine Produkte ankommen. Zwischen Hersteller und Großhandel wird das Gesetz zudem keine Anwendung finden, da es sich bei den Geschäftsführern selten um Heilberufler handelt, sondern um Kaufleute. Hier greift also der bisherige Korruptionstatbestand. Der kam aber meines Wissens bei Einkaufsrabatten in der Praxis noch nie zur Anwendung.

ADHOC: Trotzdem sind einige Hersteller derzeit sehr zurückhaltend. Nur Taktik im Jahresgespräch?
SCHNEIDER: Wenn man den Entwurf sehr streng auslegt, muss man sicher vorsichtig sein bei den Vereinbarungen. Ich nehme es schon so wahr, dass die Unternehmen sich jetzt viel beraten lassen. Die Firmen lassen ihre Vertriebsstrategien auf Rechtskonformität prüfen und passen sie gegebenenfalls auch an. Bei den Apothekern ist die Sensibilität noch nicht so groß.

ADHOC: Wo müssen die Apotheker noch aufpassen?
SCHNEIDER: Viele Dinge könnten problematisch werden. Beispiel Werbegeschenke. Hier gibt es eine wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Zweitnutzen. Das Rätselheft eines Herstellers für Apothekenkunden wurde verboten, weil die Apotheke darauf mit ihrem Namen werben durfte. Damit hatte sie selbst einen Nutzen und könnte Gefahr laufen, sich beeinflussen zu lassen.

ADHOC: Dürfen sich Apotheker noch von Herstellern einladen lassen?
SCHNEIDER: Der Hersteller hat ein schützenswertes Produktinformationsinteresse. Das heißt, er darf seine Kunden von der Qualität seiner Produkte überzeugen. Solche Veranstaltungen sollten die Firmen aber möglichst „entspaßen“ – also kein großes Rahmenprogramm für Apotheker anbieten. Die gegebenen Compliance-Kriterien müssen eingehalten werden. Der Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) etwa sieht für eine Abendessen eine Grenze von 60 Euro pro Person vor. Es ist hilfreich, dass hier mal eine konkrete Zahl in den Raum gestellt wird, was als branchenüblich gelten kann.

ADHOC: Was ist beim Verhältnis Arzt/Apotheker zu beachten?
SCHNEIDER: Kritisch ist jeder Vorteil, also eine Leistung des Apothekers, auf die der Arzt keinen Anspruch hat. Denn hier wird ein Dankbarkeitsdruck erzeugt, der als Indikator für eine Unrechtsvereinbarung gesehen werden kann. Allerdings muss ein Beweis vorliegen, der Anschein der Käuflichkeit reicht – anders als bei Beamten – nicht aus.

ADHOC: Was ist mit der Arztpraxis, die in den Räumen über der Apotheke günstig mietet?
SCHNEIDER: Wenn die Miete des Arztes extrem günstig ist und die Apotheke einen großen Anteil der Rezepte aus dieser Praxis erhält, sind das zwei Pfeiler, auf die ein Staatsanwalt seine Annahme der Unrechtsvereinbarung stützen würde. Bei der Beweisfindung käme es dann auf die Patienten an. Und wehe, der Arzt hat auch nur in einem Fall dem Patienten empfohlen, in diese Apotheke zu gehen. Ich kenne einen Extremfall, da stand der Drucker für die Rezepte der Praxis in der Apotheke nebenan. Das ist heute verboten und künftig strafbar.



Professor Dr. Hendrik Schneider studierte Jura in Mainz und blieb auch während und nach der Promotion dem Lehrstuhl für Kriminologie und Strafrecht treu. 2006 wurde er zum ordentlichen Professor an der Universität Leipzig ernannt; er übernahm den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht. Schneider ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter.

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