Amazon/PillPack: Kein Comeback für 7x4 Carolin Bauer, 29.06.2018 13:53 Uhr
Die industrielle Verblisterung wird nach dem Kauf von PillPack durch Amazon hierzulande keinen neuen Schwung aufnehmen. Davon geht Jörg Geller von Kohlpharma aus. „In Deutschland werden die Apotheken benötigt, da sie in Kontakt mit den Ärzten und Krankenkassen stehen.“ Allerdings warnt er die Pharmazeuten davor, sich dem neuen veränderten Marktumfeld zu verschließen.
Die Idee zum Verblistern entstand in Merzig bereits 2003. Firmenchef Edwin Kohl hatte damals noch unter dem Namen Assist ein erstes Pilotprojekt zur patientenindividuellen Verblisterung in saarländischen Pflegeheimen gestartet. 2009 fiel mit viel politischer Aufmerksamkeit der Startschuss für die industrielle Verblisterung und die 7x4-Box: Kohl begrüßte bei der Eröffnung die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), den damaligen saarländischen Gesundheits- und Justizminister Professor Dr. Gerhard Vigener (CDU) sowie die SPD-Politikerin Elke Ferner.
Doch das entwicklungsintensive Projekt nahm in Deutschland keinen Schwung auf. Nach dem Aus der AOK-Pilotprojekte in Berlin, Sachsen und Bayern sammelte das Unternehmen 2011 auch im Saarland die eigenen Computer bei den teilnehmenden Apotheken wieder ein. „Wir sind sehr enttäuscht, dass wir die industrielle Verblisterung aufgeben mussten. Die Anlagen sind verkauft“, sagt Geller heute.
Durch den Einstieg von Amazon in den Arzneimittelversand in den USA sieht Geller keine neuen Impulse für Deutschland. „Der deutsche Markt ist völlig anders als der amerikanische. Wir haben andere gesetzliche Voraussetzungen.“ Die Struktur sei nicht zu vergleichen, da in Deutschland der Patient und nicht die Krankenkasse die Apotheke auswähle. Grundsätzlich könne es natürlich sein, dass sich auch deutsche Unternehmen jetzt wieder auf das Verblistern konzentrieren. „Verblisterung hat aber nichts mit Versand zu tun.“
Voraussetzung für einen Erfolg der industriellen Verblisterung in Deutschland wäre eine Honorierung der Apotheken durch die Krankenkassen. „Wir hatten damals ein anderes Konzept und haben es als Dienstleistung der Apotheken gesehen“, so Geller. In der Hochphase wurden nach Unternehmensangaben 700 Patienten mit den Boxen versorgt. Kohl hatte große Pläne mit 7x4: Bis 2012 sollten bundesweit 100.000 Patienten die Wochenblister erhalten. „Wir waren früh am Ball, sind jedoch weder bei Apotheken noch bei den Krankenkassen auf Gegenliebe gestoßen.“
Dass Amazon längst ein Auge auf den deutschen Markt geworfen hat, ist laut Geller aber offensichtlich: „Amazon hat natürlich Interesse daran, in Deutschland aktiv zu sein. Das sieht man ja bei der Kooperation mit den Bienen-Apotheken, wo ein Logistikweg aufgebaut wird.“ In Deutschland würden für die industrielle Verblisterung aber die Vor-Ort-Apotheken benötigt, da sie in Kontakt mit den Ärzten und Krankenkassen stünden.
Geller steht nach wie vor zur industriellen Verblisterung: „Wir glauben, dass es für die Apotheken eine spannende Dienstleistung gewesen wäre, die sie in ihrer Wichtigkeit als Gesundheitsdienstleister betont hätte.“ Käme eine Honorierung durch die Kassen, könne man überlegen, ob man die industrielle Verblisterung erneut aufnehme. „Vorher würde ich nicht erneut investieren.“ Generell müssten sich Apotheken fragen, wie sie sich im neuen veränderten Marktumfeld verhielten und was den Patienten motiviere. Die Welt werde sich weiterentwickeln. „An erster Stelle steht Convenience weit vor dem Preis. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.“ Die Apotheke vor Ort könne Schnelligkeit leisten, was ein entscheidender Vorteil im Vergleich zum Versandhandel sei.