Amazon: Eigene Geschäfte in Deutschland Tobias Lau, 18.12.2017 13:17 Uhr
Versandhandelsgigant Amazon will sich ein Stück vom Offline-Kuchen sichern: Der US-Konzern gehe davon aus, bald erste Ladengeschäfte in Deutschland eröffnen zu können. „Das ist keine Frage des Ob, sondern des Wann“, sagte Amazons Deutschland-Chef Ralf Kleber der Funke-Mediengruppe.
Amazon wolle sich dem klassischen Handel nicht verschließen, dieser mache hierzulande immerhin 90 bis 95 Prozent des Gesamtumsatzes aus, so Kleber. Man werde tun, „was der Kunde will“. Wann genau es in Deutschland mit stationären Geschäften losgehen soll, stehe jedoch noch nicht fest.
Amazon kann bei seinen Vorhaben auf Erfahrungen aus dem Heimatmarkt zurückgreifen: Erst im Sommer hatte der Plattformkonzern für 13,7 Milliarden Dollar die Bio-Supermarktkette Whole Foods Market gekauft, die insgesamt 461 Filialen betreibt. Bereits zuvor eröffnete der Konzern mehrere Buchläden in den USA und arbeitet an Plänen für kleine High-Tech-Supermärkte, die von wenigen Mitarbeitern betrieben werden können.
So eröffnete Amazon im Dezember 2016 in Seattle die erste Filiale von Amazon Go, dem ersten Supermarkt, der ganz ohne Registrier- und SB-Kassen auskommt. Stattdessen kommt eine sogenannte „Just walk out“-Technologie zum Einsatz, eine Überwachung mittels Sensoren, über deren genaue Funktionsweise sich der Konzern in Schweigen hüllt. Der Kunde muss sich beim Betreten nur über eine Smartphone-App ausweisen. Nach dem Verlassen des Supermarktes werden die Waren automatisch über das Amazon-Konto abgerechnet. Die Erprobungsphase lief allerdings alles andere als rund: Waren mehr als 20 Kunden im Laden, kam das System durcheinander. Die flächendeckende Einführung der Märkte wurde deshalb auf unbestimmte Dauer verschoben.
Und Amazon ist nicht der einzige Internet-Gigant, der in die Fußgängerzonen drängt: Kurz nach der Übernahme von Whole Foods Market hat Google eine Partnerschaft mit der weltgrößten Einzelhandelskette Walmart bekanntgegeben. Ziel der Partnerschaft: Amazon herauszufordern. Walmart hat das Angebot Google Express, über das man Einkäufe in der Apothekenkette Walgreen‘s tätigen kann, in seine Plattform integriert. Kunden können nun ihre Konten bei Google und Walmart miteinander verknüpfen.
Und auch das chinesische Amazon-Pendant Alibaba wagt den Schritt in die Einkaufspassagen: Der Konzern hat für 2,5 Milliarden US-Dollar einen Anteil von über einem Drittel an Sun Art erworben, Chinas größtem Betreiber von Warenhäusern. Alibaba-Chef Daniel Zhang erklärte, stationäre Ladengeschäfte durch Daten-Technologie und persönlichen Service in der Digitalwirtschaft stärken zu wollen.
Auch bei Amazon soll der Kern des Geschäfts der Versandhandel bleiben. Deutschland-Chef Kleber zufolge könne sich der Konzern in Ballungszentren sogar eine zentrale Zustellungsgesellschaft unter Beteiligung aller Lieferdienste wie DHL oder Hermes vorstellen. Von deren Erwägungen, eine Sondergebühr für die Zustellung an die Haustür – anstatt nur an eine Paketstation – einzuführen, halte er jedoch nicht viel: „Das kommentiere ich nicht. Aber wir nennen uns die Erfinder des versandfreien Zustellens.“