Internetriese ignoriert Apothekenpflicht

Amazon verkauft Grippostad Complex

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Verkauft durch Amazon: Der Internetriese nimmt es mit der Apothekenpflicht derzeit nicht sehr genau.Screenshot/Grafik
Berlin -

Dass Amazon selbst zur Apotheke werden könnte, ist das Horrorszenario vieler Apotheker*innen und PTA. Bislang hält sich der Internetgigant zurück, ließ nur Versandapotheken als Partner auf seinem Marketplace zu. Doch jetzt ist mit Grippostad Complex ein apothekenpflichtiges Arzneimittel aufgetaucht, bei dem erstmals Amazon selbst als Verkäufer in Erscheinung tritt.

Apothekenpflichtige Arzneimittel gibt es bei Amazon seit einigen Jahren. Mehrere Versandapotheken nutzen den Marketplace, für sie ist der Internetriese zu einem wichtigen Vertriebskanal geworden. Doch jetzt mischt der Konzern anscheinend selbst mit – obwohl er gar keine Betriebserlaubnis hat.

So können Kunden bei Amazon das Erkältungsmittel Grippostad Complex (ASS/Pseudoephedrin) kaufen. An oberster Stelle taucht das Angebot eines externen Händlers auf – je nach Packungsgröße ist das Apo-Discounter oder Beraterapotheke aus dem niederländischen Venlo. „Verkauf und Versand“ durch den jeweiligen Partner, steht im Kleingedruckten. „Für weitere Informationen, Impressum, AGB und Widerrufsrecht klicken Sie bitte auf den Verkäufernamen.“ Immerhin: „Kauf abgedeckt durch den Käuferschutz von Amazon“, heißt es weiter.

Doch es gibt weitere Lieferoptionen: Mehrere andere Apotheken tauchen, sortiert nach „Preis + Lieferung“, also mögliche Bezugsquellen auf. Und plötzlich mittendrin: Amazon selbst. „Versand: Amazon, Verkäufer: Amazon“, steht da.

Direkt unter dem Angebot findet sich der obligatorische Hinweis auf das EU-Versandapothekenregisters. Beim Klick auf das Logo gelangt man auf den entsprechenden Eintrag auf der Website des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). „Name des Versandhändlers: Amazon EU S.à.r.l., Niederlassung Deutschland“, heißt es da. Angegeben sind die Kontaktdaten des Konzerns in München und des zuständigen Referats der Landeshauptstadt als für die Erlaubnis zuständige Stelle.

Was aus dem Eintrag nicht hervorgeht: Amazon ist zwar seit Jahren im Versandapothekenregister gelistet, allerdings nicht als Apotheke, sondern lediglich in der Liste „Einzelhändler, die zum Versand von freiverkäuflichen Arzneimitteln für Deutschland berechtigt und bei den zuständigen Behörden registriert sind“. Apothekenpflichtige Arzneimittel versenden darf Amazon damit nicht – ganz abgesehen davon, dass der Konzern keine Betriebserlaubnis hat oder an einem Standort überhaupt haben kann. Und auch in den Niederlanden gibt es nach wie vor keine Apotheke, die mit Amazon in Verbindung zu bringen ist. So oder so ist das Angebot damit illegal.

Wir machen den Test. Amazon ist keineswegs der günstigste Anbieter, aber der einzige, der eine versandkostenfreie Prime-Lieferung anbietet. Zehnmal können wir das Bundle mit zwei Packungen à 20 Beutel in den Warenkorb legen. Zum Vergleich: Bei Beraterapotheke sind 30 Doppelpackungen möglich, bei Volksversand kommt schon bei zwei Bundles der Hinweis: „Es tut uns leid, dieser Artikels wird in begrenzten Stückzahlen verkauft.“

Wir entscheiden uns für Amazon. Beim Checkout taucht plötzlich der Hinweis auf, dass das Produkt „derzeit nicht auf Lager“ ist. Wir bestellen trotzdem, erhalten ganz am Schluss den Hinweis: „Bestellen Sie jetzt! Wir benachrichtigen Sie per E-Mail, sobald das voraussichtliche Lieferdatum für diesen Artikel vorliegt.“ Nun noch der Klick auf „Jetzt kaufen“, und wir haben die erste Bestellung eines apothekenpflichtigen Arzneimittels bei Amazon in Deutschland aufgegeben.

Per Mail wird uns der Auftrag bestätigt. „Sobald wir das voraussichtliche Lieferdatum für diesen Artikel kennen, werden wir Sie per E-Mail benachrichtigen.“ Ein identischer Eintrag findet sich in unserem Kundenkonto: „Liefertermin ausstehend“, heißt es da. Nun warten wir darauf, wie es mit der Sache weitergeht.

Normalerweise überlässt Amazon das Geschäft mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln bislang seinen Partnern. Unter den Versandapotheken, die entsprechende Produkte über den Marketplace anbieten, sind bekannte Player Apo-Discounter mit verschiedenen Ablegern, Aponeo, Besamex, Curavendi, Delmed, Mycare sowie Volksversand und Homöopathiefuchs. Auch DocMorris ist über die Schwesterfirmen Eurapon und Apo-Rot bei Amazon dabei, genauso wie Sanicare über Homöopathiefuchs. Aus München sind die Bienen-Apotheken dabei, unter anderem mit dem Webshop Apohealth. Daneben nutzen zahlreiche kleinere Apotheken die Plattform, darunter die Bodfeld-Apotheke aus Blankenburg, die Stern-Apotheke am Hasselbachplatz in Magdeburg, die Rats-Apotheke aus Düsseldorf, die Faehrhaus Apotheke aus Hamburg, die Antares-Apotheke aus Hambühren oder die Werratal-Apotheke aus Wasungen.

15 Prozent müssen Partner bei Amazon dem Vernehmen nach an Provision zahlen. Und sie müssen sich dem strengen Regiment beugen. Amazon hat bereits Apotheken vom Netz genommen, die etwa Ware nicht in gewünschtem Umfang zurückgenommen oder andere Auflagen nicht beachtet haben.

Die Grenzen sind nicht immer eindeutig zu erkennen. So gibt es bei Amazon für bekannte Produkte wie Thomapyrin spezielle Markenshops („Thomapyrin-Store“), in denen die Produkte präsentiert werden. Die Apotheken tauchen als Lieferanten erst ganz am Ende des Bestellvorgangs auf.

Verstöße gegen die Apothekenpflicht sind bei Amazon selten. Vor einigen Jahren bot eine niederländische Drogerie diverse OTC-Medikamente sowie das verschreibungspflichtige Voltaren Emulgel an, dazu eine Reihe von OTC-Präparaten, die hierzulande nicht zugelassen sind.

Im nicht apothekenpflichtigen Bereich herrscht – ähnlich wie bei Ebay – ein gewisser Wildwuchs. Wobenzym etwa wird nicht nur durch die bekannten Versandapotheken angeboten, sondern standardmäßig durch die Firma Luzern Technology Solutions mit Sitz in Dublin. Hier ist auch ein Abo möglich: „Automatische Lieferungen verkauft von Luzern und Versand durch Amazon“.

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