Der Internethandelsriese Amazon wird in absehbarerer Zeit den deutschen Apothekenmarkt aufmischen. Nach Ansicht von Herstellern, Apothekern und Kunden steht Amazon bereits ante portas. Fast die Hälfte der befragten Kunden würden sogar Amazons Arzneimittel-Eigenmarken aus Kostengründen kaufen. Das geht aus der aktuellen, 15. Sempora-Studie zum Apothekenmarkt hervor.
„Der deutsche Pharmamarkt ist durch eine beschleunigte Dynamik gekennzeichnet: Hersteller, Marken, Versandhändler, Apothekenkooperationen und selbstständige Apotheken durchlaufen Konsolidierungsprozesse“, beschreibt Sempora den aktuellen Apothekenmarkt. Sempora Consulting hat im Zeitraum April bis Mai 2018 zum 15. Mal entscheidende Akteure auf dem Apothekenmarkt zu aktuellen Themen befragt. Dabei wurden die Meinungen und Einschätzungen von 48 Entscheidern aus Pharmaunternehmen, von 162 Apothekern und von 1002 Konsumenten eingeholt.
Obwohl das Volumen des Apothekengeschäfts über Amazon noch überschaubar sei, genieße der Internethändler Amazon bei Apothekenkunden bereits hohe Akzeptanz: So haben bereits ein knappes Drittel der befragten Konsumenten bei Amazon nach Medikamenten gesucht. 18 Prozent hätten schon Medikamente auf Amazon bestellt, angeboten von Apotheken via Amazon Marketplace.
Fast die Hälfte der Befragten würden rezeptfreie Medikamente auf Amazon bestellen. Und 45 Prozent würden die günstige in den USA verfügbare Amazon-OTC-Eigenmarke „BasicCare“ kaufen, falls diese in Deutschland angeboten würde. Ein Viertel würden sogar verschreibungspflichtige Medikamente auf Amazon bestellen. „Bei einem massiven Einstieg von Amazon in den Apothekenmarkt steigt der Druck auf die Hersteller und auch auf die stationäre Apotheke“, folgert Tobias Brodtkorb, Managing Partner von Sempora, „aber auch die Versandapotheken sollten auf der Hut sein, denn 46 Prozent der Verbraucher würden Amazon anderen Versandapotheken vorziehen“.
83 Prozent der Hersteller und 49 Prozent der Apotheker gehen laut Studie davon aus, dass Amazon in den nächsten vier Jahren verstärkt in den Apothekenmarkt einsteigen und auch selbst direkt an den Kunden verkaufen wird. Ein Drittel der befragten Hersteller gibt an, schon heute im direkten Dialog mit Amazon zu sein – das heiße zwar nicht, dass aktuell zusammengearbeitet wird, aber die Pharmaindustrie sehe es als ihre strategische Pflicht, den Vertriebskanal Amazon zu beobachten.
58 Prozent der Hersteller können sich vorstellen, perspektivisch direkt an Amazon zu verkaufen. Auch ein Viertel der befragten Apotheker würde, falls möglich, eine exklusive Prime-Now-Partnerschaft für ihre Stadt mit Amazon eingehen. Bisher ist das Prime-Now-Modell jedoch nur in Berlin und München verfügbar. Hauptgründe für die Bestellung von rezeptfreien Medikamenten bei Amazon sind laut Studie der schnelle Versand (73 Prozent) und der einfache Bestellprozess (60 Prozent). Dies sei ein nachvollziehbares Ergebnis, denn mehr als 17 Millionen Deutsche besäßen einen Amazon Prime Account und über 43 Millionen Deutsche bestellten bei Amazon Waren. Der gute Preis (44 Prozent) ist laut Studie erst an dritter Stelle relevant.
Ein Eintritt von Amazon in den Apothekenmarkt über den Marketplace hinaus – in den USA schon im vollen Gange – kombiniert mit dem weiteren Wachstum des Apothekenversandhandels setze die stationäre Apotheke unter Druck: „Für Versandapotheken in Deutschland ist jetzt schon die Kapitalkraft einzelner Wettbewerber eine Bedrohung. Ein Apothekenfokus von Amazon würde den Druck noch erhöhen – eine weitere Konsolidierung im Versandapothekenmarkt ist zu erwarten“, resümiert Tobias Brodtkorb. Diese Einschätzung teilen über 95 Prozent der befragten Apotheker und Hersteller.
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