Apotheker Dr. Hermann Vogel Jr. setzt nun durch, was der Bundesgerichtshof (BGH) vor einem Monat entschieden hat: Beim OTC-Verkauf über Plattformen wie Amazon müssen die Anbieter eine ausdrückliche Einwilligung der Kund:innen zur Erhebung und Verarbeitung der Daten einholen. Bei Zuwiderhandlung liege ein Verstoß gegen die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vor. Was die Richter in Karlsruhe feststellten, muss er nun umsetzen, so Vogel. Die Standesvertretung sei hingegen nicht aktiv geworden.
Am 27. März entschied der BGH, dass Apotheker Vogel Jr. mit seinem Anliegen recht hat. Und hierfür kämpfte er schon viele Jahre. Dass es nach diesem wichtigen Urteil für die Apothekerschaft aber aus der Standesvertretung nicht den entsprechenden Rückhalt gab, das Urteil auch umzusetzen, macht den Inhaber der Winthir-Apotheke am Rotkreuzplatz in München wütend. „Warum wird da niemand aktiv?“, fragt er.
Im Urteil stehe genau, dass Amazon die gesammelten Daten der auf der Plattform vertretenen Apotheken nicht für irgendwelche Zwecke missbrauchen darf. Die für den Arzneimittelversand benötigten personenbezogene Angaben sind laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO – auch bei OTC-Präparaten. Die geforderte Einwilligung diene dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verbraucher, so der Vorsitzende Richter.
„Die Verarbeitung und Nutzung der von Kunden der Beklagten bei der Onlinebestellung eines Arzneimittels über den Account eines Apothekers beim Amazon-Marketplace eingegebenen Daten wie der Name des Kunden, die Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten Medikaments notwendigen Informationen verstößt, wenn sie – wie im Streitfall – ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden erfolgt, gegen Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Bei den Bestelldaten handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne dieser Vorschrift und zwar auch dann, wenn das Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedarf“, so der BGH. Zudem hätten Mitbewerber die Möglichkeit, Verstöße zu ahnden.
Doch Wochen nach diesem Urteil passiere nichts; Apotheken vertrieben ihre OTC-Arzneimittel weiter über Amazon, moniert Vogel Jr.: „Warum fragt niemand bei den Behörden nach, bei den Kammern? Warum wird da niemand aktiv? Es geht um Regeln, die eingehalten werden müssen.“ Nach dem doch eigentlich wegweisenden BGH-Urteil habe sich niemand für dessen Umsetzung stark gemacht, so der Inhaber. „Niemand nimmt sich der Sache an.“
Er ist weiter motiviert, hier zum Erfolg zu kommen. Nachdem Plattformen sich auf dem Markt breit gemacht hätten und es ein Apotheker geschafft habe, hier gegen den Tech-Giganten Amazon vorzugehen, passiere einfach nichts. Er sieht es als seine Pflicht, nach neun Jahren Kampf aktiv zu werden und hat Abmahnungen an 40 auf Amazon vertretene Apotheken geschickt. „Dieser Versandkanal ist hundert Mal gefährlicher als jede Versandapotheke hinter der deutschen Grenze.“ Immerhin biete diese Plattform anderen, weitergehenden Ideen Tür und Tor – dm sei dann das nächste Thema, wo der OTC-Versand bereits in den Startlöchern steht.
„Der Gesetzgeber sagt: ‚Ihr Apotheker habt eine Sonderstellung.‘ Es ist doch ein Segen für den Berufsstand, dass wir keine normalen Verkäufer sind.“ Doch wenn sich niemand an Recht und Gesetz halte, helfe das nichts. Vogel Jr. gehe es dabei um die Sache: Er ist Apotheker in siebenter Generation – es gelte, den Berufsstand zu wahren.
In den zugrundeliegenden Fällen stritt Vogel Jr. lange mit seinem Kollegen Michael Spiegel aus Sachsen-Anhalt vor Gericht. Der Inhaber der Gräfenhainicher Linden-Apotheke bietet apothekenpflichtige Arzneimittel über Amazon an. Vogel hatte Verstöße gegen das Apothekenrecht sowie die DSGVO geltend gemacht, da Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Kund:innen möglich seien, ohne dass deren Einverständnis eingeholt worden sei. Als Vorinstanz hatte das Oberlandesgericht Naumburg Datenschutzverstöße gesehen.