Versandhandel

Amazon-Apotheken: Und alle schauen weg

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Berlin -

Im Kampf gegen den Vertrieb von Arzneimitteln über Amazon eröffnet Apotheker Dr. Hermann Vogel jr. von der Münchener Winthir-Apotheke jetzt einen juristischen Bypass: Gegen die Bodfeld-Apotheke streitet er mit einer einstweiligen Verfügung, weil diese noch immer bei Amazon gelistet ist. Vogel ärgert, dass das erstinstanzliche Amazon-Verbot ohne Folgen geblieben ist. Weder ABDA noch Deutscher Apothekerverband (DAV), die Pharmazieräte oder die Datenschützer haben reagiert. Derweil hat der im ersten Prozess unterlegene Apotheker Michael Spiegel von der Linden-Apotheke in Gräfenhainichen Berufung gegen das Urteil des Landgerichts (LG) Dessau/Roßlau eingelegt.

„Die suchen lieber das schwarze Haar bei den weißen Schafen und lassen die schwarzen Schafe laufen“, beklagt sich Vogel über die Untätigkeit der Aufsichtsbehörden. Das LG Dessau/Roßlau hatte Spiegel als Inhaber der Linden-Apotheke in Gräfenhainichen Ende März verboten, Amazon als Plattform in der bisherigen Form zu nutzen. Weil die Entscheidung aber nicht rechtskräftig ist, hatte der Richterspruch bislang keine greifbaren Folgen.

Die Pharmazieräte fühlen sich nicht zuständig: „Nach § 64 Arzneimittelgesetz sind die Pharmazieräte für den Datenschutz nicht zuständig“, begründet Christian Bauer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD), und verweist auf die Datenschützer. Er sehe sich an den gesetzlichen Auftrag gebunden, auch wenn er als Apotheker gerne mehr unternehmen würde.

Immerhin ist das Thema beim Datenschützer in Sachsen-Anhalt, Dr. Harald von Bose, angekommen. Aber unternommen hat auch er noch nichts. „Über Kontrollmaßnahmen gegenüber Apotheken vor dem Hintergrund dieses Urteils hat meine Behörde noch nicht abschließend entschieden. Die Bewertung der Rechtslage nach der Datenschutz-Grundverordnung und dem Bundesdatenschutzgesetz 2018 mit Auswirkungen auf das derzeit noch geltende Telemediengesetz dauert derzeit noch an“, so ein Sprecher.

Damit sein gewonnener Prozess nicht im juristischen Nirwana endet, haben sich Vogel und sein Anwalt mit der Bodfeld-Apotheke einen weiteren Anbieter vorgeknöpft. Eigentlich sollte am Mittwoch über die geforderte einstweilige Verfügung verhandelt werden, abermals vor dem LG Dessau/Roßlau. Den Vorsitz hätte nach Angaben von Vogels Anwalt dieselbe Richterin geführt, die in erster Instanz Apotheker Spiegel den Vertrieb über Amazon verbot.

Doch der Termin musste verschoben werden – zuständigkeitshalber an das LG Magdeburg. Ein neuer Termin soll in Kürze gefunden sein. Von einem neuerlichen Erfolg seiner Aktion vor Gericht erhofft sich Vogel Signalwirkung für alle anderen Amazon-Apotheken. Über diesen Bypass will er dem noch nicht rechtskräftigen Urteil zum Durchbruch verhelfen. Aufgeben will Vogel nämlich nicht: Denn Amazon wirbt weiter unverdrossen um Apotheken. Apotheker berichten von Anrufen, in den Mitarbeiter Angebote zum Vertrieb über die weltweite Handelsplattform unterbreiten – kostenlose Online-Shops inklusive.

Das LG Dessau/Roßlau hatte Spiegel Ende März untersagt, apothekenpflichtige Arzneimittel über Amazon zu verkaufen, solange bei dem Anmelde- beziehungsweise Kaufprozess über die Plattform nicht sichergestellt ist, dass der Kunde vorab seine Einwilligung mit einer Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Gesundheitsdaten gegenüber einer Person oder Institution erteilen kann, die zum Umgang mit diesen gesundheitsbezogenen Daten berechtigt ist.

Bis das Verfahren abgeschlossen sein wird, kann es noch lange dauern: Spiegel hat Berufung eingelegt. Jetzt müssen erst erneut Schriftsätze und Akten gefertigt werde, bevor sich in zweiter Instanz das Oberlandesgericht Naumburg damit befassen kann. Einen Termin gibt es noch nicht. Der Bundesgerichtshof hätte dann möglicherweise das letzte Wort.

Vogel hatte gegen den Kollegen aus Sachsen-Anhalt geklagt, der unter dem Namen Aposparer Produkte über die Plattform vertreibt. Zuvor hatte der Apotheker aus München 41 Versandapotheken, die ihre Produkte über Amazon anboten, abgemahnt.

Moniert wurde ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG): Denn bei den Informationen zur Bestellung handele es sich um besonderen Daten im Sinne des § 3 Abs. 9. Das Argument: Der Mitbewerber nehme billigend in Kauf, dass jemand – in diesem Fall Amazon – mit den besonders schützenswerten Daten in Verbindung komme, der damit nicht umgehen könne.

Moniert wurde auch, dass alle Personen, die vor Einstieg des Konzerns in den Versandhandel mit apothekenpflichtigen Medikamenten schon Kunden bei Amazon waren, „zu keinem Zeitpunkt eine Genehmigung zur Speicherung und Weiterverarbeitung von gesundheitsbezogenen Daten abgegeben haben“. Dennoch erfolge im Auftrag des Apothekers eine Speicherung von Adressen, Zahlungsdaten des Bestellers und Medikamenten, was wiederum Rückschlüsse auf das Krankheitsbild des Bestellers zulasse.

Aber auch bei der Eröffnung eines Kontos werde der Kunde heute nicht gefragt, ob die Speicherung seiner Daten durch Amazon oder für einen Apotheker, der sich als Händler registriert habe, erfolgen dürfe. Dies sei „datenschutzrechtlich unzulässig und zu unterbinden“.

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