Algovir: WDR nimmt Studien aufs Korn APOTHEKE ADHOC, 28.02.2018 18:17 Uhr
Gerade erst hat sich der SWR-Marktcheck dem Sinn oder Unsinn von Erkältungsmitteln gewidmet. Heute um 20.15 Uhr zieht das WDR-Magazin „Markt“ nach: „Erkältungssprays – die neue Waffe gegen Husten und Schnupfen?“ Wieder musste sich Hermes im Vorfeld kritischen Redakteursfragen zu Algovir stellen. Vor allem die Aussagekraft der vorgelegten Studien wurde in Zweifel gezogen.
„Erkältungssprays werden gerade groß beworben – auch in Apotheken“, so die Vorankündigung des WDR. „Die Produkte versprechen, Viren zu stoppen und eine Erkältung zu verhindern oder zumindest um ein paar Tage zu verkürzen. Aber halten die Mittel, was sie versprechen?“ Kummer ist der Hersteller schon gewohnt: Die Studienlage von Algovir (Hermes) und dem Konkurrenzprodukt Viruprotect (Stada) sei eher dürftig, meinte etwa Professor Dr. Gerd Glaeske im Interview mit dem Spiegel. „So verarschen uns Apotheken“, titelte kurz darauf das Sat.1 Frühstücksfernsehen. In dem Beitrag wurde das Mittel ebenfalls verrissen und die Beratung der Apotheken kritisiert.
Wie die Kollegen vom SWR baten die Redakteure des WDR vorab um Stellungnahme. Gleich zwei Fragenkataloge verschickten die Kölner. Vor allem die Relevanz der vom Unternehmen angeführten Studien nahm „Markt“ aufs Korn: Die Aussagekraft von Studien an 35 Erwachsenen werde von Experten als sehr gering eingestuft. „Wissenschaftlichen Maßstäben hielten sie inhaltlich nicht stand.“ Zudem zweifelten Ärzte aufgrund der selbstreinigenden Wirkung von Schleimhäuten daran, dass das Spray lange genug auf den Schleimhäuten verbleibe. „Worauf führen Sie die Wirksamkeit der mechanischen Barriere zurück?“ Hermes entgegnete, zu Algovir lägen insgesamt drei randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien mit einem Patientenkollektiv von mehr als 450 Probanden vor, darunter 213 Kindern. „Diese Studien zeigen, dass das Produkt bei dreimal täglicher Anwendung zu einem signifikanten Wirkeffekt führt.“
Die Redaktion ließ nicht locker, die Studien würden laut Urteil der von ihr befragten Experten „allenfalls als Pilotstudien“ taugen. Diese Behauptung stimme so nicht, sagt Hermes. „Richtig ist, dass nur eine der drei durchgeführten Humanstudien vom Konzept her überhaupt eine Pilotstudie ist – aber ausdrücklich nicht vom Studiendesign.“ Tatsächlich seien „alle drei klinischen Studien RCT-Studien, die mit renommierten Wissenschaftlern an anerkannt hochkarätigen Instituten durchgeführt wurden“. Damit gehe man über die sonst für ein OTC-Medizinprodukt der Klasse IIa deutlich hinaus. „Wir dokumentieren damit unseren Anspruch, den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin Folge zu leisten.“
Die Rechercheure bemängelten, die Studien hielten wissenschaftlicher Unabhängigkeit nicht stand, „da diese offenbar von Mitarbeitern durchgeführt worden sind beziehungsweise Mitarbeiter daran teilgenommen haben“. Diese Kritik sei haltlos, so der Hersteller. „Denn die Studien wurden in internationalen peer reviewed Wissenschaftsjournalen publiziert.“ Peer Review sei ein Verfahren zur Qualitätssicherung einer Arbeit durch unabhängige Gutachter aus dem gleichen Fachgebiet. Das sei „im Wissenschaftsbetrieb von herausragender Bedeutung, um die Eignung eines wissenschaftlichen Textes zur Veröffentlichung zu beurteilen“.
Durch die gerade gefahrene Werbekampagne entstehe der Eindruck, dass Algovir auch im Winter helfe, so der WDR. „Rhinoviren, gegen die ihr Spray vorrangig helfen soll, sind aber im Winter deutlich weniger aktiv, als zum Beispiel Influenza-Viren.“ Das Unternehmen fragte zurück, wie denn diese Behauptung der Redaktion zustande komme. Die genannten Studien hätten zudem „eine signifikante Wirksamkeit gegen nahezu alle relevanten Virenarten als Auslöser für grippale Infekte“. Explizit genannt wurden das respiratory syncytial virus (RSV), der Metapneumovirus (MPV) und verschiedene Typen des Parainfluenzavirus und des Coronavirus.
„Experten kritisieren, dass mit Mitteln, für die es keine hinreichenden Wirkungsbelege gibt, den Menschen Geld aus der Tasche gezogen würde – was sagen Sie dazu?“ Hermes antwortete, die vorgelegten Studien seien „im Rahmen der Zertifizierung des Produkts gemäß Medizinprodukte-Gesetzgebung von einer sogenannten ‚Benannten Stelle‘“, also einer staatlich benannten und staatlich überwachte private Prüfstelle, auf Herz und Nieren getestet worden. „Diese Bewertung hat letztendlich auch zu den im Beipackzettel beschriebenen Anwendungsgebieten geführt.“