„Schwache Apotheken sind auf Skonto angewiesen“ Lothar Klein, 12.06.2017 10:20 Uhr
Am 13. Juli entscheidet der Bundesgerichtshof über den Skonti-Streit zwischen AEP und der Wettbewerbszentrale. Das Landgericht Aschaffenburg hatte zunächst sogar den Fixzuschlag von 70 Cent für rabattfähig erklärt. Das Oberlandesgericht Bamberg verhängte dagegen in zweiter Instanz ein totales Skonto-Verbot. Georg Zwenke, Fachanwalt für Medizinrecht bei der Hamburger Kanzlei Dr. Matzen & Partner, glaubt nicht an den Bestand dieses Urteils. Sein Argument: Weil der Gesetzgeber mit dem Apothekenabschlag selbst ein Skonto zu Gunsten der Krankenkassen eingeführt habe, könne man den Großhändlern echte Skonti nicht verbieten. Außerdem nutzten Skonti den Apotheken.
„Das Urteil des OLG Bamberg wird wohl aufgehoben werden“, schrieb Zwenke in einer Kommentierung dieses Urteils für die Zeitschrift „Medizin Produkte Recht“. Im Kern des Rechtsstreits gehe es um die Auslegung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Dabei gingen sowohl das LG Aschaffenburg als auch das OLG Bamberg nicht auf die einschlägigen krankenversicherungsrechtlichen Normen des Sozialgesetzbuches (SGB V) ein: Ein Vergleich von AMPreisV und SGB V belege aber, dass der Gesetzgeber, anders als vom OLG Bamberg unterstellt, zwischen „Rabatt“ und „Skonto“ bei der Begleichung von Arzneimittelrechnungen sehr wohl differenziere. Daher könne man Skonti nicht mit Rabatten gleichsetzen.
Die Hersteller hätten zwar einen „einheitlichen Abgabepreis“ festzusetzen und diesen zum Zwecke der Abrechnung der Apotheken mit den Krankenkassen anzugeben. Dabei handele es sich jedoch nicht in jedem Fall um einen einheitlichen Fixpreis. Zwenke verweist auf das Verfahren der Nutzenbewertung für neue Arzneimittel. Nur zu dem in der Folge ausgehandelten beziehungsweise von der Schiedsstelle festgesetzten Erstattungsbetrag könnten die verordneten neuen Arzneimittel zu Lasten der Krankenkassen abgegeben werden.
Außerdem schrieben die Kassen einen Großteil ihres Bedarfs an Generika in Rabattverträgen aus. Der Hersteller, der den höchsten Rabatt biete, erhalte den Zuschlag: „Besteht ein solcher Rabattvertrag, ist die Apotheke grundsätzlich verpflichtet, ihrem Kunden nach Vorlage eines Kassenrezeptes das vom Rabattvertrag erfasste Rabattarzneimittel abzugeben.“ Wie das GKV-Recht sehe also auch das Arzneimittelrecht eine Vereinbarung von Preisnachlässen durch Rabatt vor.
Anders als vom LG Aschaffenburg angenommen, sei es keineswegs so, dass die Hersteller einen einheitlichen Fixpreis festsetzen würden. „Tatsächlich wird dieser Preis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln heute maßgeblich von den Kostenträgern (mit)bestimmt“, so Zwenke. Außerdem müsste die Hersteller nach Abgabe der Arzneimittel an Versicherte den Kassen einen vorgegebenen Abschlag auf den Abgabepreis zu gewähren. Diesen bezeichne der Gesetzgeber als „Rabatt der pharmazeutischen Unternehmer“. „Insbesondere der in § 130 a Abs. 1 SGB V genannte ‚Abschlag‘ ist ein echter ‚Rabatt‘, da der Zwangskürzung des Erstattungsanspruchs keine Gegenleistung gegenübersteht“, schreibt Zwenke.
Bei der Abgabe an die Patienten scheide die Gewährung von Rabatten aus. Die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf seien keine „Höchstspannen“ im Sinne von maximal zulässigen Zuschlägen, sondern würden zwingend festgelegt mit dem Ziel, einheitliche Apothekenabgabepreises zu gewährleisten im öffentlichen Interesse einer flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Daher solle ein Preiswettbewerb zwischen Apotheken ausgeschlossen werden.
Apotheken seien aber zur Gewährung von Abschlägen auf ihre Arzneimittelrechnungen gegenüber den Krankenkassen verpflichtet, wenn diese innerhalb von zehn Tagen nach Eingang der Rechnung des Apothekers oder der Sammelrechnung des Apothekenrechenzentrums beglichen würden. Die Höhe der Abschläge setze der Gesetzgeber fest.
Dieser Abschlag entspreche dem Wesen nach dem Skonto im gewöhnlichen Geschäftsleben. Daher sei zwischen „Rabatten“ und „Skonti“ entgegen der Auffassung des OLG Bamberg „stets zu differenzieren“. „Der Gesetzgeber hat gerade im Rahmen der Arzneimittelabrechnungsvorschriften des Krankenversicherungsrechts den Begriff ‚Rabatt‘ selbst bestimmt und differenziert zwischen ‚Rabatt‘ bei der Berechnung des Arzneimittelpreises und ‚Abschlag‘ (= Skonto) im Rahmen der Begleichung der Arzneimittelrechnung“, so Zwenke.
Ein Verbot der Gewährung von Skonti durch Großhändler für kurzfristig gezahlte Arzneimittelrechnungen durch Apotheken sei daher weder mit dem Wortlaut der Preisvorschriften, noch mit dem Willen des Gesetzgebers oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Daher sei es als Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit nicht zu rechtfertigen, schreibt Zwenke.
Auch zur Sicherung der Versorgung sei kein Skonti-Verbot erforderlich, da die Großhändler per Gesetz verpflichtet seien, die angemessene und kontinuierliche Bereitstellung des Arzneimittels sicherzustellen, „damit der Bedarf von Patienten im Geltungsbereich dieses Gesetzes gedeckt ist“.
„Erforderlich“ zur Rechtfertigung der Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit sei die wettbewerbseinschränkende Auslegung der AMPreisV mithin nicht. Die These des OLG Bamberg, die Arzneimittelversorgung wäre gefährdet, wenn es Skonti auf den Festzuschlag geben würde, „ist unschlüssig“. Denn wie die vollversorgenden Großhändler ihrem Versorgungsauftrag nachkämen, bleibe ihnen überlassen.
Vielmehr profitieren Apotheken von günstigen Einkaufspreisen und insbesondere von Skonti. Das gelte auch und gerade für Apotheken in strukturschwachen Gegenden: „Manche schwach aufgestellten Apotheken sind sogar von Skonti wirtschaftlich abhängig. Skonti nützen Apotheken folglich anstatt sie zu gefährden“, so der Anwalt.
Außerdem könnten sich Apotheken gegen eine Nicht-Belieferung durch einen Erwerb von Anteilen bei einer als Genossenschaft geführten Großhandlung schützen. Die Begründung des Urteils des OLG Bamberg überzeuge daher nicht: „Es ist mithin zu erwarten, dass der 1. Senat des BGH das Urteil des OLG Bamberg aufheben wird.“