Dr. Heike Brockmann im Interview

AEP-Chefin: „Unfassbares Gefühl, in einer dunklen Lagerhalle zu stehen“

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Berlin -

Ein Cyberangriff mit weitreichenden Folgen und der Streit um Konditionen nach dem Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH): Hinter AEP liegen aufreibende Monate. Dr. Heike Brockmann, Chefin des Großhändlers aus Alzenau, spricht im Interview mit APOTHEKE ADHOC über die Auswirkungen des Hackerangriffes und welche politischen Forderungen das Unternehmen mit einem Zentrallager hat.

ADHOC: Wie geht es AEP nach dem Cyber-Angriff?
BROCKMANN: Die kriminelle Cyber-Attacke war ein herber Schlag für uns im Unternehmen, aber auch für unsere Kunden. Es ist ein unfassbares Gefühl, wenn sie in einer dunklen Lagerhalle stehen, die Telefone schweigen und kein Zugriff auf ihre Daten besteht. Wir konnten mehrere Tage keine Medikamente ausliefern und auch Routine-Prozesse wie Kunden-Informationen mussten nach und nach erst wieder ganz neu aufgebaut werden.

Die Angreifer haben mit viel krimineller Energie mehrere Anläufe genommen, um unsere Sicherheitssysteme zu überwinden. Die gute Nachricht: Es haben keine Daten unser Haus verlassen und wir haben mit Hilfe von externen Spezialisten relativ schnell wieder den operativen Betrieb aufnehmen können – dabei stand aber immer im Fokus: Sicherheit geht vor Schnelligkeit.

Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, dass alle Services bald wieder vollumfänglich und wie gewohnt zur Verfügung stehen.

ADHOC: Was hat AEP daraus gelernt?
BROCKMANN: Nach der Bewältigung des Cyber-Angriffs lässt sich einmal mehr feststellen, dass AEP Krisen meistern kann. Zwar sind noch nicht alle Systeme wieder einsatzfähig, doch es war - und ist immer noch – eine wahre Meisterleistung, den komplexen Grundbetrieb im Zusammenspiel mehrerer voneinander abgeschotteter Systeme und Server in dieser Rekordzeit wiederherzustellen. So konnte die Belieferung der Apotheken und damit die Versorgung der Patienten sichergestellt werden. Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, dass alle Services bald wieder vollumfänglich und wie gewohnt zur Verfügung stehen. Wir möchten uns an dieser Stelle nochmals bei allen unseren Kunden bedanken für die Geduld, das Vertrauen und die Unterstützung. Es war großartig, wie viel Zuspruch wir erfahren durften.

ADHOC: Was wünschen Sie sich von der neuen Regierung?
BROCKMANN: Ziel der neuen Regierung sollte es sein, die Arzneimittelversorgung der Menschen zu sichern und die richtigen Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen. Das gesamte Gesundheitswesen muss meiner Ansicht nach neu überdacht werden und eine End-to-End-Strategie mit allen Beteiligten, entlang der Lieferkette, erarbeitet werden. Die immer wieder aktuell geforderte Produktionsverlagerung zurück nach Deutschland wird keine kurzfristige oder mittelfristige Lösung herbeiführen. Dies ist eher ein langfristiger Ansatz, der politisch weiterverfolgt werden sollte.

Die Frage, die man sich kurzfristig stellen sollte, müsste sein: Wie kann die Vergütungen für die Medikamente ausgestaltet werden, so das Pharmaunternehmen einen Anreiz sehen ihre Produkte wieder ausreichend nach Deutschland zu liefern? Außerdem sollte die Struktur der Pharmagroßhändler so genutzt werden, dass auch hier nicht nur multinationale Unternehmungen (qua ihrer Größe) genügend Ware bekommen, sondern insbesondere Großhändler in der Warenverteilung ausreichend berücksichtigt werden, die den deutschen Markt versorgen und nicht innerhalb ihrer europäischen Strukturen Waren umverteilen. Ferner ist neben der Vergütung der Medikamente auch die Aufwandsentschädigung beziehungsweise Vergütungen für den Großhandel und der Apotheke im Bundesministerium zu überdenken. Eine Verschmelzung in der Großhandelsstruktur und ein weiteres Apothekensterben wird eine verbesserte Versorgungsleistung in Deutschland nicht fördern.

ADHOC: Ein Jahr Skonto-Urteil des BGH - wie hat die Entscheidung den Markt verändert?
BROCKMANN: Das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs hat den Pharmahandelsmarkt in Deutschland beeinflusst, von den Herstellern über den Großhandel bis hin zur Apotheke. Konditionsmodelle mussten sowohl von Herstellern als auch vom Großhandel an die neue Gesetzeslage angepasst werden. Apotheken mussten sich umstellen und aufgrund der veränderten Marktbedingungen ihre Einkaufsstrategien neu denken, da die Gewährung von Skonti bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einschränkt und damit die wirtschaftlichen Spielräume der Apotheken weiter eingeengt wurden.

ADHOC: Welche Auswirkungen hatte das Urteil für AEP?
BROCKMANN: Mit dem an die neue Rechtsprechung angepassten Konditionenmodell, das wie beim Skonto auf dem Gegenseitigkeitsprinzip basiert, bleiben wir unserer AEP-DNA treu und bieten den Apotheken stabile und langfristig ausgelegte Konditionen an, die ebenso planbar wie nachvollziehbar sind. Das Konzept überzeugt nach wie vor viele Apotheken.

Sie können sich darauf verlassen, dass wir uns weiterhin für faire und transparente Konditionen für Apotheken einsetzen – auch auf politischer Ebene.

ADHOC: Was können die Apotheken von AEP in Zukunft erwarten?
BROCKMANN: Unsere Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Seit jeher versteht sich AEP als Korrektiv im Markt – ein Großhandel, der Apotheken langfristig attraktive Konditionen ohne komplizierte Verhandlungen bietet. Auch in Zukunft bleibt unser Konditionenmodell ein zentraler Baustein zur Sicherung der Apotheken. Wir stehen für Fairness, Transparenz und smarte Lösungen, die den Pharmagroßhandel effizienter machen.

Sie können sich darauf verlassen, dass wir uns weiterhin für faire und transparente Konditionen für Apotheken einsetzen – auch auf politischer Ebene. Als wichtiger Gesprächspartner in der Debatte um die Medikamentenversorgung in Deutschland bringen wir unsere Expertise aktiv ein. Unsere besondere Stärke: Wir versorgen die gesamte Bundesrepublik effizient und nachhaltig von nur einem Standort aus.

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