Potenzmittel, Cannabis, Abnehmpräparate: An verschreibungspflichtige Lifestyle-Präparate kommt man mittlerweile über verschiedene Plattformen. Einfach Fragebogen ausfüllen, schon wird das virtuelle Rezept ausgestellt und das Medikament verschickt. Das Landgericht München I untersagte der Plattform Apomeds im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, „Abnehmspritzen“ auf diesem Wege gegenüber Endverbraucher:inen zu bewerben.
Die AKNR hatte die einstweilige Verfügung beantragt, da die Nutzerinnen und Nutzer auf einer Plattform lediglich einen Fragebogen ausfüllen mussten, um an eine Verschreibung zu kommen. Umsonst hatte der Betreiber argumentiert, dass lediglich eine „Gewichtsverlustbehandlung“ beworben werde; dies lasse keinen zwingenden Schluss auf die Abnehmspritze zu. Dies sei zulässig und verstoße nicht gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Das Ausfüllen eines Fragebogens, der sodann von einem – nicht in Deutschland ansässigen – Arzt überprüft werde, sei auch eine zulässige Fernbehandlung unter Verwendung von Kommunikationsmedien, bei der ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich sei.
Obendrein sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verspätet: Die AKNR kenne das Geschäftsmodell bereits aus einem anderen Verfahren, dessen Gegenstand Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion waren.
Dem folgte die Kammer nicht: „Die Fernbehandlung von Adipositas mittels Ausfüllens eines Fragebogens entspricht nämlich nicht allgemein anerkannten fachlichen Standards. Vielmehr ist vor der Verschreibung einer Abnehmspritze ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen erforderlich“, so die Kammer in ihrer Urteilsbegründung.
Dies ergebe sich letztendlich bereits aus den „Warnhinweisen“, welche der Versender dem Gericht selbst vorgelegt habe: In diesen werde auf zahlreiche Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Hypoglykämie (bei Patienten mit Typ-2-Diabetes) und Schwindel, auf das Risiko der Unterzuckerung und darauf hingewiesen, dass die Behandlung eingestellt werden sollte, wenn man innerhalb von drei Monaten nach Behandlungsbeginn nicht mindestens 5 Prozent seines Körpergewichts verliere.
Darüber hinaus werde in den vorgelegten Unterlagen ausgeführt, dass eine regelmäßige Nachsorge und Überwachung während einer Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich sei. Gerade diese, von der beklagten Apotheke selbst für erforderlich gehaltene regelmäßige Nachsorge erfordere aber zwingend einen persönlichen ärztlichen Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen, welcher weder von der beklagten Apotheke noch von den verschreibenden Ärzten - schon aufgrund der räumlichen Distanz- geleistet werden könne.
Hinzu komme, dass ausweislich der Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas der deutschen Adipositasgesellschaft zahlreiche Untersuchungen, unter anderem des Bluts und des Urins, nötig seien, um Adipositas zu diagnostizieren und zu behandeln. Dies könne daher gerade nicht im Wege der Fernbehandlung erfolgen.
Es handele sich bei der Werbung der Beklagten ferner nicht um die Werbung für eine Behandlung als solche, wie diese vorgetragen habe, sondern um die Werbung für den Absatz von Medikamenten. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Werbung. Um welche Gruppe von Präparaten es sich hierbei handele, wüssten die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehörten, bereits deshalb, weil „die Abnahmespritze“ in jüngster Zeit starke mediale Aufmerksamkeit erfahren habe.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
§ 9 HWG verbietet die Werbung für Fernbehandlungen. Zulässig ist sie nur ausnahmsweise, wenn die Behandlung mittels Kommunikationsmedien etwa in Form einer Videosprechstunde erfolgt und nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.