Ratiopharm vs. Klosterfrau: Streit um Apotheken-Koffer dpa/APOTHEKE ADHOC, 22.02.2018 15:37 Uhr
Hersteller dürfen an Apotheker keine teuren Werbegeschenke abgeben. Die Wertgrenze von einem Euro gelte auch bei Werbegeschenken an Apotheker und Ärzte, wie das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) entschied.
Im vorliegenden Fall hatte Klosterfrau zu Werbezwecken Produktkoffer mit sechs Arzneimitteln gegen Erkältungsbeschwerden an Apotheker verschenkt. Die Medikamente hatten einen Einkaufspreis von 27,47 Euro. Dem Konkurrenten Ratiopharm war das ein Dorn im Auge; der Generikakonzern klagte deshalb auf Unterlassung. Das OLG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Von der kostenlosen Abgabe des Arzneimittelkoffers gehe die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung aus, urteilte der Zivilsenat. Bei einer kostenlosen Leistung sei oft zu erwarten, dass sich der Empfänger in irgendeiner Weise erkenntlich zeigen werde. Dies könne dazu führen, dass der umworbene Apotheker einem Kunden die Produkte der Beklagten empfehle. Hierin bestehe eine unsachliche Beeinflussung, die durch das Gesetz verhindert werden solle.
Ausnahmsweise zulässig sei die Zuwendung von Kleinigkeiten mit geringem Wert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bei Geschenken an Verbraucher eine Wertgrenze von 1 Euro definiert. Diese Wertgrenze gilt nach dem Urteil des OLG auch für Angehörige der Fachkreise wie Ärzte und Apotheker. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Ratiopharm hatte selbst seine Erfahrungen mit dem Thema gemacht. Als der Konzern sein neues Diclo-Schmerzgel im Sommer 2013 einführte, stellte der Außendienst das neue Gel in der Apotheke direkt vor. Weil die Pharmazeuten die Tube mit der Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ behalten durften, mahnte der Voltaren-Hersteller Novartis den Konkurrenten ab.
Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) sah in der Aktion einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und bestätigte Ende 2014 eine vom Landgericht Hamburg (LG) verhängte einstweilige Verfügung. In der Hauptsache wurde der Fall in Frankfurt weiter verhandelt, doch auch hier stellten sich erst das LG und das OLG gegen Ratiopharm.
Im Arzneimittelgesetz (AMG) ist geregelt, dass Hersteller Muster an Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte abgeben dürfen. Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist der Bezugskreis erweitert um „andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde berufsmäßig ausüben“. Schließlich dürfen die Hersteller Muster an Ausbildungsstätten für die Heilberufe „in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang“ abgeben.