Zwangsurlaub für Apotheker Patrick Hollstein, 05.05.2010 12:57 Uhr
Weil in Italien Apotheken Konzessionäre sind, haben die regionalen Gesundheitsbehörden weitreichende Befugnisse, zum Beispiel was Öffnungszeiten, Bereitschaftsdienste und Betriebsferien angeht. Eine Apothekerin aus Rom klagte vor Gericht gegen die Vorgaben, der Fall landete als Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der finnische Generalanwalt Niilo Jääskinen sieht jedoch kein Problem im Zwangsurlaub für Apotheker.
Emanuela Sbarigia betreibt eine Apotheke in der Fußgängerzone im historischen Zentrum von Rom. Weil vor allem Touristen zu ihren Kunden gehören, beantragte Sbarigia vor vier Jahren eine Befreiung von den ihr auferlegten Betriebsferien für den Sommer 2006. Außerdem wollte die Apothekerin auch außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten sowie an Feiertagen öffnen.
Anders als der Nachbarapotheke am Bahnhof wurden Sbarigia nicht die gewünschten Genehmigungen erteilt; Bürgermeister, Apothekerkammer und Gewerkschaft hatten entsprechende Ausnahmeregelungen abgelehnt. Die Klage der Apothekerin legte das Gericht im Herbst 2008 dem EuGH vor, stellte aber offenbar die falschen Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts: Statt auf die Niederlassungsfreiheit oder den freien Warenverkehr abzuheben, fragte das Gericht nach Aspekten des Gesundheit- und Verbraucherschutzes und stellte sogar eine mögliche Kartellabsprache zur Diskussion.
Dem vermochte der Generalanwalt nicht zu folgen, zumal ihm nicht einmal Angaben zu einer möglichen marktbeherrschenden Stellung der einzelnen Apotheke vorgelegt worden seien. Zwar schränken die Auflagen die Entscheidungsfreiheit der Apotheker laut Jääskinen in einem Maße ein, das „sehr weit über gewöhnliche Erlaubnisvorbehalte“ hinausgeht.
Andererseits verwies Jääskinen auf das EuGH-Urteil zum Fremdbesitzverbot, bei dem „ziemlich restriktive italienische Bestimmungen für Apotheken, die in einem viel engeren Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit standen“, für vereinbar mit Gemeinschaftsrecht erklärt wurden.
In den Beschränkungen der Öffnungszeiten kann der Generalanwalt sogar eine gewisse Notwendigkeit erkennen, zum Beispiel was den freiwilligen nächtlichen Bereitschaftsdienst angeht: „Eine Ausdehnung der täglichen Öffnungszeiten würde sich nachteilig auf die Zeitspanne auswirken, in der die Nachtapotheken am rentabelsten operieren“, so Jääskinen. „Ein Rückgang der privaten Initiative hätte zur Folge, dass man zu einem obligatorischen Bereitschaftsdienstsystem zurückkehren müsste.“
Der Generalanwalt weigerte sich aber zu prüfen, ob die Regelungen unter anderen als den vorgelegten Aspekten gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. Angesichts der aus Italien gestellten Fragen wollte nicht einmal die EU-Kommission auf einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht plädieren. Auch die Regierungen Griechenlands, Österreichs und der Niederlande sprachen sich in ihren Stellungnahmen nicht gegen das italienische System aus.