Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) will eine Debatte darüber anstoßen, dass Ärzte nur noch Wirkstoffe verordnen und Apotheker die jeweils verfügbaren Medikamente abgeben. In einem Interview bezeichnete es Anschober als „nicht verständlich, dass Österreich eines der letzten Länder in Europa ist, wo es keine solche Lösung gibt.“ Darauf reagiert nun der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig), sorgt sich um zunehmende Lieferengpässe, noch härteren Wettbewerb und sieht die Patienten als Leidtragende.
Wenn es im Herbst nach der Coronakrise hoffentlich ruhiger werde, wolle er mit einer fairen Diskussion beginne, ob die Wirkstoffverschreibung ein möglicher Weg wäre - auch im Hinblick auf die Versorgung mit Medikamenten und Lieferengpässe, kündigte Anschober an. „Ich kündige nicht an, dass ich mit dem Kopf durch die Wand will, aber ich möchte eine faire, offene und ideologiefreie Diskussion führen - ohne Vorbehalte und Tabus.“ Er werde alle Seiten an den Tisch holen, anhören und dann Entscheidungen treffen. „Das Ziel sei eine Diskussion im Herbst. Das soll helfen bei Lieferengpässen aber vielleicht auch Einsparungen bringen." Die Diskussion über eine Wirkstoffverschreibung hatte in Österreich im Vorjahr bereits für einen wochenlangen Streit zwischen Ärzten und Apothekern gesorgt.
„Wenn Ärzte keine Produkte, sondern lediglich nur mehr Wirkstoffe verschreiben, wird das etwaige Lieferproblematiken bei Arzneimitteln nicht lösen, sondern sogar noch verschärfen. Vielmehr sollten Ärzte in dem Moment, in dem sie ein Rezept ausstellen, darüber informiert werden, ob das entsprechende Medikament auch verfügbar ist“, entgegnete jetzt Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig, angesichts der aufflammenden Diskussion darüber, ob es Apothekern erlaubt sein soll, selbst zu entscheiden, welches Medikament sie den Kunden aushändigen, solange es zur vom Arzt verordneten Wirkstoffklasse gehört.
Leidtragende einer solchen Verordnung wären in erster Linie die Patienten, speziell jene, die laufend Medikamente zu sich nehmen müssten. Denn sie wären womöglich gezwungen, sich auf einen oftmaligen Wechsel ihres Medikamentes einzustellen. Dazu Herzog: „Wenn nicht mehr der Arzt entscheidet, welches Medikament sein Patient bekommen soll und nur mehr der Wirkstoff verschrieben wird, dann schafft man damit eine Flexibilität, die nur vermeintlich von Vorteil ist. In Wahrheit gefährdet man dadurch die Therapietreue und das Vertrauen in die Arzneimittel.“ Wiewohl eine solche Verordnung in vielen anderen Ländern bereits existiert, gelten dort andere Preismechanismen, so Pharmig. In Österreich herrschen weit- und tiefgreifende Regularien, die ohnehin in den vergangenen Jahren bereits zu starken Preiserosionen geführt hätten.
Der Nutzen, den eine Wirkstoffverordnung bringen solle, werde sich langfristig nicht abzeichnen. Vielmehr werde eine Folge davon sein, dass der Wettbewerb unter den Arzneimittelherstellern, die mit niedrigen Preisen zu kämpfen hätten, noch mehr angefacht werde. „Da laufen wir Gefahr, dass der Arzneimittelschatz ausgedünnt wird, weil sich einige Produzenten vom Markt verabschieden könnten“, so Herzog. Anstatt also damit die Versorgungssicherheit zu erhöhen, werde eher das Gegenteil erreicht. „Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein und ist schon gar nicht im Sinne der Patienten“, so Herzog weiter.
Jedenfalls sei man laut dem Pharmig-Generalsekretär jederzeit gerne bereit, auf sachlicher Ebene eine Diskussion darüber zu führen, wie die Information über die Verfügbarkeit von Arzneimitteln noch transparenter gemacht und allen Beteiligten der Arzneimittel-Lieferkette, vom Erzeuger über den Großhandel und die Apotheke bis hin zum Arzt, noch zeitnaher zur Verfügung gestellt werden kann.
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