Wie die Henker McKesson austricksten dpa, 15.04.2017 18:31 Uhr
Hinrichtungen wie am Fließband: Gleich sieben Häftlinge wollte Arkansas binnen elf Tagen exekutieren. Jetzt haben Gerichte das Vorhaben zumindest vorerst gestoppt – nach Protesten aus der Pharmaindustrie. Hat sich Arkansas Hinrichtungsdrogen durch einen Trick beschafft?
Ronald Smith zuckte wiederholt, hustete, rang nach Luft, nachdem ihm in der Hinrichtungskammer die erste Droge des Giftcocktails eingespritzt wurde. 13 Minuten lang quälte er sich sichtlich und wurde schließlich nach 30 Minuten für tot erklärt. Das geschah im Dezember im Staatsgefängnis Atmore im US-Staat Alabama. Die injizierte erste Droge war Midazolam.
Das ist jenes Mittel, das auch der Staat Arkansas ab Ostermontag bei einer Serie von sieben Hinrichtungen innerhalb von nur elf Tagen einsetzen wollte. Warum die Exekutionen am Fließband, wo doch in Arkansas seit 2005 niemand mehr exekutiert worden ist? Ende April läuft in dem Bundesstaat das Haltbarkeitsdatum für die noch vorhandenen Dosen an Midazolam für Exekutionen aus. Und da es immer schwerer wird, an Ersatz heranzukommen, wollte die Gefängnisbehörde keinen Verzug, geschweige denn einen dauerhaften Aufschub riskieren.
Nun haben Gerichte die sieben Exekutionen und zwei weitere zumindest vorläufig gestoppt – unter anderem nach Protesten der Pharmaindustrie, die nicht will, dass ihre Produkte für Hinrichtungen verwendet werden, und insbesondere der Beschwerde des Großhändlers McKesson, der sich von den zuständigen Stellen in Arkansas perfide getäuscht sieht.
Nach seiner Darstellung hat sich der Staat das Medikament Vecuroniumbromid, das Mittel Nummer 2 bei den geplanten Exekutionen, durch einen Trick beschafft – in dem Wissen, dass der Hersteller der Droge, der Pharmagigant Pfizer, den Verkauf an Gefängnisbehörden verboten hat.
Die Gefängnisbehörde in Arkansas habe zehn Schachteln über ein Konto bestellt, das unter Verwendung der gültigen medizinischen Lizenz eines Arztes in Arkansas eröffnet worden sei, geht der New York Times zufolge aus einem Schreiben von McKesson an staatliche Stellen hervor. Das habe „impliziert, dass das Produkt nur für einen legitimen medizinischen Zweck eingesetzt wird“.
Todesstrafengegner sehen in den Vorgängen in Arkansas einen neuen Gipfel der Perversion – und hoffen, dass dies die Öffentlichkeit aufrüttelt. Bereits in den vergangenen zwei Jahren wurde in den USA deutlich weniger hingerichtet als früher: 28 Exekutionen waren es 2015 und 20 im Jahr 2016 – so wenige wie seit 1991 nicht mehr.
Aber sehen Menschenrechtsaktivisten im Schulterschluss der Pharmaindustrie auch einen wichtigen Fortschritt, ist es bis zur Abschaffung der Todesstrafe in den USA noch ein weiter Weg. Denn insgesamt ist es bisher hauptsächlich auf Pannen und Beschaffungsprobleme zurückzuführen, dass die USA weniger exekutieren. Das heißt, der gegenwärtige Trend wird weniger von einem Bewusstseinswandel in der Bevölkerung als von prozeduralen Schwierigkeiten getragen.
Generell hat in den USA zwar die Unterstützung für die Todesstrafe in den vergangenen Jahren abgenommen – aber noch immer ist eine deutliche Mehrheit Umfragen zufolge dafür. Am Tag der Präsidentschaftswahl im vergangenen November stimmte eine Mehrheit der Wähler in Kalifornien bei einem Volksentscheid dafür, dass auch künftig Hinrichtungen stattfinden sollen – und in Nebraska gab es eine Mehrheit für die Wiedereinführung der Höchststrafe.
Und das, obwohl sich die Befürworter laut Umfragen durchaus darüber im Klaren sind, dass die Hinrichtung Unschuldiger vorkommen kann und vorgekommen ist. Seit 1973 kamen mehr als 150 Menschen aus den Todeszellen frei, weil sie die Tat, für die sie verurteilt worden waren, nicht begangen hatten. Aber die öffentliche Empörung über solche Fehlurteile hält sich immer noch in Grenzen. Auch die Diskussion darüber, dass gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil weitaus mehr Schwarze in der Todeszelle sitzen als Weiße.
Wie es am Ende in Arkansas für die sieben Häftlinge ausgehen wird, ist offen. Der Staat pocht weiter auf die Hinrichtungen, trotz Protesten auch im Ausland und von einer Reihe Prominenter. So äußerte der Erfolgsautor John Grisham in einem Beitrag für die Zeitung „USA Today“ scharfe Kritik, unter der Überschrift „Stop the execution madness in Arkansas“ – „Stoppt den Hinrichtungs-Wahnsinn in Arkansas“.
Zumal mit einem Mittel, das stark umstritten ist. Midazolam soll die Häftlinge betäuben, bevor dann zwei weitere Medikamente den Herztod herbeiführen sollen. In der Vergangenheit aber gab es mehrfach „Pannen“, so bei zwei Hinrichtungen 2014 in Arizona und Oklahoma: Der Todeskandidat zeigte Anzeichen qualvollen Erstickens.
Wegen der Drogenknappheit lassen einzelne US-Staaten inzwischen den elektrischen Stuhl oder Erschießungskommandos als „alternative Hinrichtungsmittel“ zu. Der Staat Arizona hatte anscheinend eine andere Idee: Er bot nach Medienberichten den Anwälten von Delinquenten an, eigene tödliche Medikamente zur Hinrichtung mitzubringen.