Österreich

Weltkulturerbe für Apotheker Janina Rauers, 23.04.2010 10:22 Uhr

Berlin - 

Die Hausspezialitäten der österreichischen Apotheken stehen seit wenigen Tagen unter besonderem Schutz: Die Unesco hat die Salben, Cremes und Tinkturen in die nationale Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen. Mit der Auszeichnung sollen überliefertes Wissen, Traditionen und Brauchtum bewahrt werden. Die österreichischen Apotheker hoffen, ihre Hausmarken auf diese Weise retten zu können.

Beinahe jede Apotheke in der Alpenrepublik bietet unter ihrem Namen apothekeneigene Hausspezialitäten an. Die Salben, Tropfen und Tinkturen dürfen nur in der eigenen Offizin abgegeben werden, der Verkauf an andere Apotheken ist untersagt.

Viele der Rezepte sind über Generationen überliefert. Die Kur-Apotheke Bad Ischl beispielsweise fertigt seit über einem Jahrhundert als ehemaliger K-und-K-Hoflieferant hauseigene Produkte an. Zum Sortiment gehören Schwedentropfen, Hustensaft, Herztropfen und Toniken für Nerven, Venen, Herz- und Kreislauf. Apothekeninhaber Heimo Hrovat hat den Unesco-Antrag initiiert. Unterstützt wurde er von 400 Apothekern und dem Apothekerverband.

Der Pharmazeut befürchtet, dass die Produkte schon bald ganz verschwunden sein könnten. Die derzeit rund 2000 angemeldeten Spezialitäten drohten bis Jahresende auf 500 zu schrumpfen: Auf Bestrebungen der Pharmalobby würden die Anforderungen an Apotheken zunehmend an industrielle Standards angepasst. „Die Industrie will nicht, dass Apotheker Arzneimittel herstellen“, vermutet Hrovat.

Viele EU-Vorschriften erscheinen Hrovat für die Herstellung in der Apotheke übertrieben, da die Pharmazeuten über hohes Fachwissen sowie jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen könnten. Als Beispiel führt er die EU-Forderung an, die Braille-Schrift in die Packungen einzuprägen - obwohl nicht-entfernbare Klebeetiketten ausreichten.

Eine weitere Hürde für die Hausmarken seien die Gebühren: Für die Erstanmeldung einer Rezeptur sind inklusive Nebenkosten mindestens 1400 Euro fällig. „Ist einer der Wirkstoffe nicht in einem der anerkannten Arzneibücher gelistet, erhöhen sich die Kosten ins Unermessliche“, sagt Hrovat. Sechs Jahre nach der Erstanmeldung werden weitere 600 Euro fällig.

Mit der Anerkennung durch die Unesco könne das Aussterben der Hausmarken zumindest verlangsamt werden, hofft der Apotheker: „Mit meinem Antrag wollte ich alle Kollegen motivieren, ihre Spezialitäten angemeldet zu lassen oder sogar neu anzumelden.“ So werde überliefertes Wissen und Handwerk bewahrt.

Apotheken seien zudem für vermehrte Rezepturenherstellung in Krisenzeiten besser gerüstet. „Sterben die Hausspezialitäten aus, wird aus dem Apotheker schrittweise ein Rezeptleser und Automatenbefüller“, warnt Hrovat.