Walgreens Boot Alliance steigt in das Geschäft mit Telemedizin ein. Statt nur eine eigene Telemedizin-App anzubieten, setzt der Konzern auf eine Plattform-Lösung, die bereits bestehende Anbieter miteinbezieht. Der Apothekenriese geht damit einen von Investoren lang erwarteten Schritt, um mit der Konkurrenz mitzuhalten.
Walgreens bietet ab sofort eine eigene Telemedizin-Anwendung an: Unter dem Namen „Find Care Now“ kann man über die Website und die App der Apothekenkette Online-Sprechstunden buchen. Es ist das erste mal, dass ein US-Apothekenkonzern ein solches Angebot startet.
In der Anwendung können Nutzer nach Ort und Symptomen beziehungsweise Krankheiten filtern und sich dann verschiedene Optionen inklusive der Preise ohne Versicherung anzeigen lassen. So kostet eine Videosprechstunde mit einem Arzt im New Yorker Presbyterian Hospital ohne Versicherung 99 US-Dollar (85 Euro). Auch hat Walgreens andere Telemedizin-Angebote und -Apps in seine Plattform eingebunden. So können Patienten dermatologische Beratung über DermatologistOnCall erhalten oder über MD Live mit einem Psychotherapeuten sprechen. Auch eine Zweitmeinung kann über die App laut Werbung noch am selben Tag eingeholt werden. Dafür müssen allerdings ohne Versicherung 800 Dollar berappt werden.
„Was wir daraufhin getan haben, ist, dass wir diesen digitalen Marktplatz entwickelt haben, auf dem unsere Kunden sowohl die Gesundheitsdienstleistungen finden können, die wir anbieten, als auch die unserer Partner“, erklärt Walgreens-Vizepräsident und -Innovatonschef Giovanni Monti.
„Find Care Now“ ist das Resultat einer Studie, die Walgreens vergangenes Jahr durchführen ließ, der zufolge die Kunden des Unternehmens vor allem an Zusatzangeboten interessiert sind, die über die Abgabe von Medikamenten und Vor-Ort-Beratung hinausgehen.
Investoren und Analysten hatten in den letzten Monaten mit Spannung auf Walgreens geblickt. Denn die Apothekenkette stand unter Zugzwang, nachdem sich die Konkurrenz mit Übernahmen bereichert hatte: Erst übernahm CVS Health den Versicherer Aetna, dann kaufte Cigna Express Scripts, den größten unabhängigen Pharma Benefit Manager der USA. Und schließlich kam ein Paukenschlag für die Branche, als Amazon den Kauf den Rx-Versenders PillPack bekannt gab.
Vor allem letztere Nachricht ließ den Aktienkurs von Walgreens einbrechen: Um zehn Prozent gaben sie innerhalb eines Tages nach. Walgreens-Boss Stefano Pessina übte sich dennoch in demonstrativer Gelassenheit. Er habe den Schritt ohnehin erwartet. „Wir waren nicht wirklich besorgt und wir sind nicht wirklich besorgt. Aber selbstzufrieden sind wir auch nicht“, erklärte er und kündigt an: „Wir wissen, dass wir das Niveau unserer Service-Qualität ändern müssen und wir arbeiten sehr hart in diese Richtung. Wir bereiten viele neue Service-Angebote für unsere Kunden vor.“
APOTHEKE ADHOC Debatte