Kette droht Filialschließung

Walgreens: Fake-Apothekerin arbeitet zehn Jahre ohne Approbation

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Berlin -

Walgreens muss sich in den USA erneut vor Gericht verantworten, diesmal zusammen mit einer ehemaligen Mitarbeiterin. Diese soll über zehn Jahre als angestellte Apothekerin in mehreren kalifornischen Filialen gearbeitet haben – ohne jemals approbiert gewesen zu sein. In der Zeit hat sie fast eine Dreiviertelmillion Verordnungen bedient. Erst durch eine Revision flog der Schwindel auf. Walgreens werden schwere Mängel bei der Überprüfung seiner Apotheker vorgeworfen, drei Filialen der Apothekenkette droht sogar die Schließung.

Die Apothekerkammer von Kalifornien wirft der ehemaligen Walgreens-Angestellten Kim Thien Le vor, von November 2006 bis September 2017 in drei verschiedenen Filialen in der Gegend südlich von San Francisco als angestellte Apothekerin gearbeitet zu haben, obwohl sie niemals eine Approbation erlangt hat. Insgesamt habe sie in dem Zeitraum 745.355 Rezepte bedient, darunter 100.701 Betäubungsmittelverordnungen.

Aufgeflogen war der mehr als zehnjährige Betrug erst kurz bevor Le aufgehört hatte, für Walgreens zu arbeiten. Im Rahmen einer Revision in der Apotheke war den örtlichen Pharmazieräten aufgefallen, dass es bei Dutzenden von bedienten Rezepten über das Anxiolytikum Alprazolam teils schwere Formfehler gab. Alle Rezepte trugen das Kürzel KTM – für Kim Thien Le. Bei der darauffolgenden Überprüfung ihrer Unterlagen kam heraus, dass sie bei ihrer Anstellung die Approbationsnummer einer Apothekerin mit dem gleichen Namen angegeben hatte – weitere Unterlagen wie einen Universitätsabschluss aber anscheinend gar nicht eingereicht hatte.

Kurz darauf konfrontierten sie die Pharmazieräte mit den Vorwürfen. Le habe die gar nicht erst bestritten, heißt es in der Klageschrift, sondern geantwortet: „Mein Sohn und ich wären sehr dankbar, wenn Sie diese Sache einfach vergessen könnten.“ Sie werde „jedes Bußgeld zahlen“, das ihr auferlegt werde, und „nicht wieder als Apothekerin arbeiten“. Die falsche Apothekerin könnte jedoch einiges mehr erwarten als ein Bußgeld. Angeklagt ist sie unter anderem wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Den drei Walgreens-Filialen, in denen sie gearbeitet hat, droht der Entzug ihrer Betriebslizenz.

Der Staatsanwaltschaft zufolge ist bis heute nicht klar, ob Walgreens jemals ernsthaft Les Unterlagen überprüft hat. „Walgreens konnte weder Dokumente vorlegen, die belegen, dass die Angeklagte jemals an einer zugelassenen pharmazeutischen Fakultät immatrikuliert war, noch war Walgreens im Besitz von Kopien auch nur einer der Lizenzen, die Le zu besitzen vorgab“, heißt es in der Anklageschrift. Die Kette habe jedoch nach Auffliegen des Betrugs umgehend Schritte veranlasst: Der Los Angeles Times sagte ein Walgreens-Vertreter, dass das Management nach Erhebung der Anklage gegen Le die Approbationen sämtlicher angestellter Apotheker in den USA habe überprüfen lassen. Ob dabei weitere Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind, sagt er nicht.

Erst vergangene Woche hatte Walgreens zugesagt, insgesamt 269 Millionen US-Dollar zu zahlen, um zwei Gerichtsverfahren zu beenden, in denen sich der Konzern wegen zivilrechtlichen Betrugs verantworten musste. Bei Medicare, Medicaid und anderen staatliche Programmen sollen in den Jahren 2006 bis 2017 hunderttausende Insulinpens für Patienten in Rechnung gestellt worden sein, die diese gar nicht benötigten. Außerdem soll Walgreens Medicaid in den Jahren 2008 bis 2017 zu viel berechnet und die im Rahmen des „Prescription Saving Club“-Programmes angebotenen Discountpreise nicht berechnet haben.

Außerdem steht Walgreens bald zusammen mit seinem größten Konkurrenten CVS, dem Großhändler McKesson und mehreren Pharmaunternehmen in Florida vor Gericht. Der Bundesstaat wirft den Angeklagten vor, eine erhebliche Mitschuld an der seit Jahren anhaltenden Opioid-Krise in den USA zu tragen. Sie hätten „unangemessene Mengen von Opioiden nach Florida eingeführt und verkauft“ und das trotz „umfassender und offensichtlicher Beweise für illegale Vertriebswege“. So hätten Walgreens-Filialen bei der Abgabe Opioid-haltiger Schmerzmittel teilweise eine Umsatzsteigerung von 600 Prozent innerhalb von zwei Jahren verzeichnet. Als Beispiel führt die Anklage eine nicht näher genannte Stadt mit 3000 Einwohnern an, in der Walgreens innerhalb eines einzigen Monats 285.000 Bestellungen Oxycodon abgegeben habe. Mit derlei Praktiken hätten die beschuldigten Unternehmen „ihre Pflichten nach dem Gesetz des Bundesstaates Florida“ verletzt, so die Anklage.

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