Bürgerabstimmung

Volk rettet Apothekenparkplätze

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Berlin -

Lokalpolitiker aus dem schweizerischen Bassersdorf wollten ihr Stadtzentrum verkehrssicherer machen und dafür Parkplätze streichen. Betroffen wäre davon auch die einzige Apotheke am Ort gewesen. Doch die empörte Bürgerschaft machte ihren Volksvertretern am Dienstag einen Strich durch die Rechnung.

Die Gemeinde im Kanton Zürich verzeichnete in den letzten Jahrzehnten ein rasantes Bevölkerungswachstum. Lebten hier 1950 gerade mal 2100 Menschen, waren es im Jahr 2000 später schon 7500. Zuletzt wurden 11.600 Einwohner gezählt. Auf dem brach liegenden Gelände des ehemaligen Bahnhofs entstand ein neues Stadtzentrum mit Mietwohnungen, Geschäften und einem neuen Dorfplatz. Damit nahm auch das Verkehrsaufkommen zu. Die dafür bereit stehende Tiefgarage sei jedoch nur bescheiden genutzt worden, berichtet die Gemeindeverwaltung. „Dagegen erhöhte sich aufgrund der praktisch durchgehend besetzten oberirdischen Kurzzeitparkplätze auf dem Postplatz der Suchverkehr in der Begegnungszone.“ Wegen der Gefährdung für Fußgänger und Radfahrer beschloss der Gemeinderat im Sommer letzten Jahres, die oberirdischen Parkplätze dicht zu machen.

Damit fielen schlagartig auch die zwölf Parkgelegenheiten vor der Rosengarten-Apotheke weg. „Dabei sind unsere Kunden schon überwiegend über 50. Viele von ihnen sind schlecht oder gar nicht zu Fuß unterwegs, sie sind auf Parkplätze vor der Tür angewiesen“, sagt Geschäftsführer Ivan Mihajlovic. „Wir haben daraufhin eine Petition gestartet und binnen kurzer Zeit über 2000 Unterschriften gesammelt.“ Auch andere Gewerbetreibende setzen sich zur Wehr, denn die Sperrungen hätten sie in ihrer Bilanz zu spüren bekommen, erfuhr der Pharmazeut: „Beim Coop-Supermarkt gingen die Einnahmen so drastisch zurück, dass drei Mitarbeiter in andere Filialen versetzt wurden.“ Die Apotheke mit ihrem auch zwei Nachbargemeinden umfassenden Einzugsbereich sei dagegen glimpflich davon gekommen. Der Druck zeigte Wirkung: Zum Herbst durften Autos wieder im Zentrum abgestellt werden.

Das Problem war nur vertagt. Der Gemeinderat rief Verkehrsplaner, Gewerbetreibende, Anwohner und Parteien zu einem Runden Tisch. Drei Workshops und etliche Beratungen später stand ein mühsamer Kompromiss: Um den Verkehr zumindest ein wenig zu beruhigen, sollten senkrecht zur Straße angeordnete Parkplätze durch waagerechte Längsparkplätze ersetzt, die Zahl der oberirdischen Parkmöglichkeiten insgesamt aber reduziert werden. Der Apotheke wären jetzt noch acht der bisherigen zwölf Parkplätze geblieben.

Dann trat Olaf Brunner aufs Parkett. Ein Längsparken parallel zur Straße könne beim Ein- und Aussteigen zu gefährlichen Situationen führen, fand der Bürger. Die Parkplatzanordnung sei so zu belassen. Nach eingehender Prüfung auf Rechtmäßigkeit ließ die Verwaltung die Gegeninitiative zur Abstimmung zu. Wie überall in der Schweiz hatte nun in diesem Fall das Volk das letzte Wort. Die Parkplatzfrage hielt den Ort über viele Monate in Atem, der Riss ging quer durch die Bevölkerung. „Die Leute haben sich sogar in meiner Apotheke gestritten“, erinnert sich der Geschäftsführer.

Bei der Gemeindeversammlung fand sich unter den 194 anwesenden Bürgern eine große Mehrheit für die Brunner-Initiative. Damit bleibt alles so, wie es bislang schon war. Der Apotheker ist sehr zufrieden über die Entscheidung: „Die Politik hat geglaubt, handeln zu müssen, und ist dabei weit über das Ziel hinausgeschossen.“ Dafür habe sie die Quittung bekommen.

Bassersdorf könne auch ein Vorbild für das nicht ganz so basisdemokratisch organisierte Deutschland sein, glaubt Mihajlovic: „Wir empfehlen jeder Gemeinde, dass man miteinander spricht. Wenn man einander zuhört und bereit zu einem Kompromiss ist, dann findet man auch eine Lösung.“

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