USA

Midazolam verfällt: Hinrichtungen im Akkord APOTHEKE ADHOC, 06.03.2017 14:42 Uhr

Berlin - 

Seit 2005 wurde im US-Bundesstaat Arkansas niemand mehr hingerichtet. Jetzt sollen innerhalb von zehn Tagen acht verurteilte Mörder sterben. Der Grund für die Eile ist profan: Das Haltbarkeitsdatum des Präparats Midazolam läuft bald ab.

Der Gouverneur von Arkansas, Asa Hutchinson, genehmigte insgesamt vier Doppelhinrichtungen, die im kommenden Monat über einen Zweitraum von nur zehn Tagen vollstreckt werden sollen. Das berichten die Nachrichtenagentur AP sowie diverse US-Medien. „Diese Exekutionen sind absolut notwendig, um die Auflagen, die uns die Gesetze geben, zu erfüllen“, begründete Hutchinson seine Entscheidung laut AP. Die Ankündigung des Gouverneurs kommt nur wenige Tage, nachdem der Oberste Gerichtshof sämtliche Gesuche der Verurteilten abgelehnt hat.

Hutchinson soll zwar die zeitliche Häufung bedauern, aber nicht die die Hinrichtungen an sich. „Mit wäre es lieber, sie über mehrere Monaten oder Jahre zu verteilen, aber das sind nun einmal nicht die Umstände, in denen ich stecke“, wird er zitiert. Die Umstände, die Hutchinson meint, lassen sich mit einem Satz beschreiben: Das Gift wird schlecht. Im April soll die Haltbarkeit des vorrätigen Präparats Midazolam in Arkansas ablaufen. Dabei handelt es sich um eines der drei Bestandteile der Todesspritze, mit der die Häftlinge hingerichtet werden. Der Einsatz des Präparats wird besonders stark kritisiert. Vor drei Jahren rang der verurteilte Mörder Clayton Lockett nach einer Spritze mit der Substanz 43 Minuten mit dem Tod, bis er schließlich an einem Herzinfarkt starb.

Ohnehin handelt es sich bei den Wirkstoffen vielerorts um Restbestände. Denn viele Pharmakonzerne wollen nicht mehr, dass mit ihren Substanzen getötet wird. Mehr als 20 amerikanische und europäische Hersteller weigern sich, Wirkstoffe für die Giftspritzen zu liefern. In der EU besteht sogar seit 2011 ein Exportverbot. Ende des vergangenen Jahres verschärfte das Europaparlament sogar Exportverbote und -beschränkungen für Produkte, die für Hinrichtungen oder zur Folter verwendet werden können.

Die Haltbarkeit der Vorräte des Bundesstaates an Kaliumchlorid, ebenfalls ein Bestandteil der Todesspritze, ist laut AP bereits im Januar abgelaufen. Ein Sprecher der Gefängnisse teilte mit, dass die Substanz bisher nicht ersetzt worden sei. Doch das Büro des Gouverneurs hätte sich zuversichtlich gezeigt, den Wirkstoff rechtzeitig besorgen zu können. Die Haltbarkeit des dritten vorrätigen Bestandteils, Vecuroniumbromid, soll im März 2018 ablaufen.

Bei den betroffenen Todeskandidaten soll es sich um Mörder handeln, die ihre Verbrechen zwischen 1989 und 1999 begangen haben. Nur durch Einsprüche und Berufungen ihrer Anwälte konnte ihre Hinrichtung bisher verhindert werden. Noch Freitagabend hätten die Häftlinge eine erneute, überarbeitete Beschwerde eingereicht, um die Hinrichtungen doch noch zu stoppen. Insgesamt sitzen in Arkansas aktuell 34 Männer in den Todeszellen. Insgesamt sollen aber fast 3000 Menschen in amerikanischen Gefängnissen auf ihre Hinrichtung warten.

Doch seit dem Verkaufsstopp wurden immer mehr Hinrichtungen verschoben. Einige Bundesstaaten sollen sogar auf eindeutig illegale Vertriebskanäle zurückgreifen, um an die Medikamente heranzukommen. So soll Texas laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung geheime Specialty-Apotheken haben, die die Arzneimittelzulassung umgehen können und ihre Substanzen an andere Bundesstaaten weiterverkaufen. Im Jahr 2011 soll die FDA die Giftreserven des Bundesstaates Georgia beschlagnahmt haben. Dieser soll die Substanz in einer Londoner Apotheke gekauft haben, die ihr Geschäft im Büro einer Fahrschule betrieb. Inzwischen versuchen fast alle Bundesstaaten geheim zu halten, wie sie an die Substanzen für ihre Giftspritzen gelangen.