Der neue US-Präsident will die Zulassung von Arzneimitteln dramatisch vereinfachen und die Aufsichtsbehörde FDA entmachten. Sogar einige Pharmahersteller, die sonst lauthals Deregulierung fordern, sollen sich besorgt über die Pläne von Donald Trump zeigen.
Anfang Januar, noch vor seinem Amtsantritt schickte Trump mit harscher Kritik an der Pharmaindustrie die Aktien der Arzneimittelhersteller auf Talfahrt. Später warf er der Branche vor, bei der Preisgestaltung „über Leichen" zu gehen, und kündigte einen härteren Kurs bei Preisverhandlungen an. Am 31. Januar – inzwischen Präsident – traf er sich mit den Firmenchefs der Pharmaunternehmen Amgen, Celgene, Johnson & Johnson, Lilly, Merck und Novartis sowie dem Chef des Industrieverbands PhRMA.
In einem Statement vor dem Treffen bekräftigte er seine Forderung, die Arzneimittelpreise müssten sinken. Als Hauptgrund für teure Medikamente hat der US-Präsident offenbar den langen Zulassungsprozessen ausgemacht. Deshalb will er den Zulassungsprozess nun vereinfachen. Der US-Präsident kündigte an, mindestens 75 Prozent aller FDA-Regeln und Vorschriften zu eliminieren.
Laut Nachrichtenagentur Reuters ist die Pharmaindustrie von dem Vorstoß des US-Präsidenten alles andere als begeistert. Die Branchenorganisation Biotechnology Innovation Organization berichtete der Nachrichtenagentur, dass sich die Chefs der Arzneimittelhersteller beim Treffen mit Trump darauf gedrängt hätten, die Reformpläne nicht zu vorschnell umsetzen. Chefs der Arzneimittelhersteller würden befürchten, dass Versicherungsunternehmen sich aufgrund von laschen Zulassungsregeln in Zukunft vermehrt weigern könnten, die Kosten für die teuren Medikamente zu übernehmen.
Diese Meinung vertreten laut Reuters auch Führungskräfte von mehr als einem Dutzend Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen. Die FDA würde bereits ihre Zulassungsprozesse überarbeiten, argumentieren sie und warnten zugleich, dass eine zu lockere Zulassung von Medikamenten Patienten gefährden würde. „Es wird oft behauptet, dass die FDA zu restriktiv ist“, sagte Roger Perlmutter, Leiter Forschung und Entwicklung bei Merck, der Nachrichtenagentur. „Wir haben das Gefühl, dass die Balance richtig ist“. Das Risiko-Nutzen-Verhältnis müsse eben stimmen.
Arzneimittelhersteller sind nicht nur Amerika darauf angewiesen, dass ihr Medikament von den Ärzten verschrieben und von Versicherungen bezahlt wird. Daher sei ein Zulassungsprozess mit ausführliche Studien entscheidend, um Ärzte und Versicherer davon zu überzeugen, dass ein neues Arzneimittel seinen Preis wert ist. So soll der Absatz von teuren neuen Cholesterinsenkern von Amgen und Regeneron Pharmaceuticals ins Stocken geraten sein, als US-Versicherer die Erstattung begrenzten und nach Studienergebnissen verlangten, die einen deutlichen Nutzen der Medikamente beweisen.
Es sei zwar „großartig“, dass die neue Regierung staatliche Regulierung abbauen will, damit „der private Sektor wettbewerbsfähiger ist“, sagte John Maraganore, CEO von Alnylam Pharmaceuticals und Co-Vorsitzender des BIO-Regulierungsausschusses. Allerdings spricht er sich lediglich dafür aus, die Zulassung von generischen Arzneimitteln zu beschleunigen. Maraganore warnte jedoch davor, neue Medikamente einzuführen, ohne sie vorher umfangreich getestet zu haben.
Einige Pharma-Führungskräfte haben sich dagegen für eine Deregulierung ausgesprochen. „Eine Deregulierung wird mehr Wettbewerb nach sich ziehen und damit helfen, Arzneimittelpreise zu reduzieren“, wird Pfizer-CEO Ian Read von der Nachrichtenagentur zitiert.
Nach dem Treffen mit Trump verkündete der Branchenverband Pharmaceutical Research and Manufacturers of America (PhRMA), man habe sich auf eine gemeinsame Grundlage für eine Streureform und die Beseitigung veralteter Vorschriften einigen können, schreibt Reuters. Zu FDA-Reformplänen wollte der Industrieverband laut Nachrichtenagentur keine Stellung nehmen.
Mögliche Umstrukturierung der US-Zulassungsbehörde sollen vor allem Investoren begrüßen, die die Machtposition der großen Arzneimittelhersteller schwächen wollen. Der Vorwurf: Größere Hersteller würden Medikamente nicht selber entwickeln, sondern oftmals Lizenzen für vielversprechende Arzneimittel im frühen Entwicklungsstadium kaufen und anschließend die Gewinne abschöpfen. „Das System wurde vor mindestens 50 Jahren etabliert und ist mittlerweile unglaublich teuer geworden", sagte Tim Shannon von der Venture Capital Firma Canaan Partners, der Nachrichtenagentur.
Er unterstützt die Pläne des US-Präsidenten zur beschleunigten Zulassung von Medikamenten. Shannons Ansicht nach ist es vertretbar, wenn einige Medikamente auf den Markt kommen – gegebenenfalls zu ermäßigten Preisen –, sobald Tests ergeben, dass sie sicher sind. Wenn die Erfahrung zeige, dass sie auch wirksam sind, könnten die Preise erhöht werden, so der Unternehmer. „Wir wollen das Gesundheitswesen selbst effizienter machen“, wird er zitiert. „Lassen wir den Markt entscheiden, wie wertvoll ein Medikament ist."
Das Schicksal der FDA liegt in den Händen ihres nächsten Chefs. Trump kündigte an, er habe für den Posten eine „fantastische Person" in den Startlöchern. Nach Informationen von Reuters gehören ehemalige FDA-Mitarbeiter Scott Gottlieb, und Jim O'Neill, ein Freund von Trump-Berater Peter Thiel, zu den aussichtsreichsten Kandidaten. Der letztere sei der Überzeugung, für die Zulassung eines Medikaments sei der Nachweis der Sicherheit ausreichend. Ob das Medikament wirksam und langfristig verträglich sei, könne man nach der Zulassung herausfinden.
Patienten warteten auf neue Medikamente und sollten so früh wie möglich die Gelegenheit haben, die neuen Wirkstoffe auf eigenes Risiko zu testen, so seine Argumentation. Die Möglichkeit, Pharmafirmen bei Unwirksamkeit oder Schädlichkeit auf Schadenersatz zu verklagen, hält O'Neill für ausreichend, um Firmen davon abzuhalten, schlechte Produkte auf den Markt zu bringen. Er nennt das „schrittweise Zulassung“.
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