Nicht nur für Apotheker und Verbraucher in Europa steht in diesem Jahr eine wichtige Entscheidung zur künftigen Ausgestaltung des Apothekenmarktes an: Ausgerechnet in den USA wird derzeit hitzig über ein bestehendes Fremdbesitzverbot debattiert. Denn im Bundesstaat North Dakota sind Apothekenketten nach wie vor verboten. Einzelhandelsriesen wie Wal-Mart oder Walgreens haben zum Sturm geblasen.
Seit 1963 ist in North Dakota gesetzlich vorgeschrieben, dass mindestens 51 Prozent der Anteile einer Apotheke vom verantwortlichen Apotheker gehalten werden müssen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Apothekenleiter auch für wichtige unternehmerische Entscheidungen einstehen. Nur eine handvoll bestehender Apotheken durfte im Rahmen des Bestandsschutzes weiter betrieben werden.
Das Fremdbesitzverbot überstand bereits mehrfach juristische Anfechtungen; 1971 scheiterte die Kette Snyder's Drugstores aus dem benachbarten Minnesota sogar vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Andere Staaten, in denen Ketten bereits eine massive Präsenz aufgebaut hatten, konnten ähnliche Regelungen unter dem Druck der Handelsketten dagegen nicht aufrecht halten.
Nun versucht auch an der kanadischen Grenze eine Initiative unter dem Titel „North Dakotans for Affordable Healthcare“ (NDRx), die maßgeblich von Wal-Mart und Walgreens finanziert wird, das Thema auf die politische Tagesordnung für 2009 zu hieven. Unterstützung erhalten die Ketten von den Kliniken, die zwar keine Apotheken in den Einkaufszentren, wohl aber in ihren Häusern befürworten.
Das bisherige relative Desinteresse der Konzerne am Apothekenmarkt in North Dakota kommt nicht von ungefähr: Knapp 170 Apotheken versorgen die gerade einmal 635.000 Einwohner. Obwohl der Staat an der kanadischen Grenze überwiegend ländlich strukturiert ist - nur Vermont, Washington D.C. und Wyoming haben weniger Einwohner - und mit Abwanderungsbewegungen zu kämpfen hat, ist die Apothekendichte mit 27 Apotheken pro 100.000 Einwohner dennoch eine der höchsten in den USA. Andererseits gehören die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel laut einer Studie zu den niedrigsten im gesamten Land.
Kaum Argumente also für eine Gesetzesänderung? Die Faktenlage hindert die interessierten Kreise natürlich nicht, mit Heilsversprechen für eine Liberalisierung zu lobbyieren. NDRx wirbt seit August in Broschüren, aber auch Radio- und Fernsehspots damit, dass durch eine Abschaffung des Fremdbesitzverbots die Arzneimittelpreise gesenkt werden könnten.
Im Zentrum der Argumentation stehen die berüchtigten Rabattangebote der großen Handelsketten im Generika-Bereich: Nach einer Initiative von Wal-Mart haben auch andere Konzerne begonnen, Erstverordnungen bestimmter Produkte zu extrem niedrigen Preisen oder sogar umsonst zu beliefern. Auf diese Weise sollen Verbraucher in die Filialen gelockt werden; durch kleinere Abgabemengen steigt die Besucherfrequenz.
Eine von NDRx inAuftrag gegebene Studie verspricht den Politikern und Verbrauchern in North Dakota Einsparungen von bis zu 50 Millionen US-Dollar. Auch 350 neue Arbeitsplätze und knapp 2 Millionen Dollar an zusätzlichen Steuereinnahmen werden in Aussicht gestellt.
Kritikern zufolge erfassen die so genannten 4-Dollar-Programme dagegen nur 5 Prozent aller abgegebenen Arzneimittel, die zum Teil auch noch als veraltet gelten und überhaupt nicht mehr verordnet werden sollten. Bei den restlichen 95 Prozent würden beträchtliche Aufschläge erhoben, so Verbandschef Michael Schwab gegenüber APOTHEKE ADHOC. Auch an vielen anderen Punkten fehle der Studie die wissenschaftliche Grundlage.
Pharmazeutische Betreuungsprogramme, für die die unabhängigen Apotheken von Verbraucherorganisationen immer wieder gelobt werden, seien in den Ketten rar, so Schwab. Sein Verband weist in einer eigenen Kampagne auf die Ermittlungsverfahren gegen Wal-Mart und Walgreens hin und warnt vor den Erfahrungen in anderen Bundesstaaten, wo seit Jahren unabhängige Apotheken aufgeben und die Ketten so beherrschende Positionen aufbauen. Dies führe zu weniger Auswahl und weniger Wettbewerb - dem genauen Gegenteil von dem, was NDRx verspricht.
Im vergangenen Jahr fanden bereits die ersten Anhörungen zum Thema vor den Regierungsausschüssen statt. In diesem Jahr soll nun über die Zukunft des letzten unabhängigen Apothekenmarktes in den USA entschieden werden. Auch in anderen Staaten wird die Entwicklung im Norden mit Spannung verfolgt: In Texas haben vor einem Jahr Apotheker aus dem ganzen Land eine Satzung ihrer Vereinigung „Pharmacy Alliance“ unterzeichnet, die sich unter dem Motto „Dignity, Self-Respect and Integrity“ gegen die zunehmende Kommerzialisierung des Berufsstandes richtet. Darin geht es unter anderem um die Vorgaben aus den Kommandozentralen der Ketten.
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