Das „Pharmacy First“-Programm des NHS sollte den Patient:innen schnellen Zugang zu medizinischer Versorgung bieten und die Hausärzte entlasten. Trotz der Einführung im Januar 2024 wurde nur ein kleiner Teil des vorgesehenen Budgets für die Unterstützung von Apotheken ausgegeben. Kritik kommt von Fachverbänden, die eine bessere Finanzierung und stärkere Unterstützung fordern.
Das „Pharmacy First“-Programm wurde im Januar 2024 vom staatlichen Gesundheitsdienst NHS eingeführt, um Patienten eine schnelle und zugängliche medizinische Versorgung zu ermöglichen und gleichzeitig die Hausarztpraxen zu entlasten. Es erlaubt Apotheken, Patienten mit sieben häufigen Erkrankungen – Harnwegsinfektionen, Halsschmerzen, Sinusitis, Ohrenschmerzen, infizierten Insektenstichen, Impetigo und Gürtelrose – zu behandeln und ihnen bestimmte Medikamente bereitzustellen, die zuvor nur über Hausärzte erhältlich waren.
Im Jahr 2023 versprach die Regierung, 645 Millionen Pfund (etwa 734 Millionen Euro) in Apotheken zu investieren. Auf eine Anfrage der Abgeordneten Sarah Olney vom 11. März 2025 teilte Gesundheitsminister Stephen Kinnock mit, dass „im Haushaltsjahr 2024/2025 82 Millionen Pfund für die sieben gemeinsamen klinischen Behandlungspfade sowie die damit verbundenen Anreizzahlungen und den Ausbau der Blutdruck- und Verhütungsdienste verwendet worden seien“. Kinnock fügte hinzu, dass nach dem Ende des Geschäftsjahres „ein umfassender Überblick über alle Ausgaben im Rahmen des Pharmacy First-Budgets verfügbar sein werde“.
Nick Kaye, Vorsitzender der National Pharmacy Association, erklärte dazu gegenüber dem Fachmedium „The Pharmaceutical Journal“: „Das ist eine erschreckende Unterausgabe, da nur ein kleiner Prozentsatz der für das Programm vorgesehenen Mittel tatsächlich an die Apotheken vor Ort ausgezahlt wurde.“
Pharmacy First wird aktuell von rund 9200 Apotheken – das entspricht 88 Prozent aller Betriebe in Großbritannien – angeboten. Patient:innen können direkt in eine teilnehmende Apotheke gehen oder von NHS-Diensten wie Hausärzten, NHS111 oder Notaufnahmen überwiesen werden. Doch es gibt Probleme: Laut einer Erhebung von „The Pharmaceutical Journal“ wurden bis zum 26. November 2024 nur 82 Millionen Pfund des für das Programm vorgesehenen Budgets von insgesamt 645 Millionen Pfund ausgegeben – lediglich 13 Prozent. Ursachen dafür seien IT-Probleme, mangelnde Überweisungen von Hausärzten und eine niedrige Teilnahmequote in bestimmten Regionen.
Das Pharmaceutical Journal berichtet weiter, dass in einigen Regionen weniger als die Hälfte der Apotheken die Mindestquote für Zahlungen erreichen. In anderen Regionen fehlen hingegen formelle Überweisungen von Hausärzt:innen, sodass Apotheken Schwierigkeiten haben, Patient:innen zu erreichen und Konsultationen abzurechnen. Zudem erfüllen viele Beratungen nicht die NHS-eigenen Kriterien und können daher nicht abgerechnet werden. Die National Pharmacy Association (NPA) kritisierte die Unterfinanzierung und forderte, das gesamte Budget in das Programm zu investieren, um Apotheken zu entlasten und Schließungen zu verhindern.
Auch der NHS für Nord-Ost-London meldete einen Rückgang der Überweisungen und eine generelle Abnahme der „Pharmacy First“-Leistungen. Die NPA und Community Pharmacy England (CPE) fordern daher eine vollständige Investition der Mittel und eine stärkere Unterstützung durch das Gesundheitsministerium.
Zum einjährigen Jubiläum des „Pharmacy First“-Programms in Großbritannien hat die Company Chemists' Association (CCA) eine Studie veröffentlicht. In den ersten neun Monaten wurden fast 1,5 Millionen Patienten behandelt, mit einer Prognose von 2,5 Millionen bis März 2025. CCA schätzt, dass bis zu 9 Millionen Hausarztbesuche jährlich durch Apotheken ersetzt werden könnten, bei einer Erweiterung bis zu 40 Millionen. NHS England strebt an, bis 2027 jährlich 6 Millionen Konsultationen über Apotheken abzuwickeln.
Die Nutzung variiert regional, besonders in sozial benachteiligten Gebieten. 27 Prozent der Behandlungen fanden in armen Gemeinden statt, und 8 Prozent der Konsultationen wurden an Sonntagen durchgeführt, trotz der begrenzten Öffnungszeiten. In Nordwestengland gibt es signifikant mehr Konsultationen pro 100.000 Einwohner als anderswo.
Für die Weiterentwicklung schlägt die CCA vor, Apotheker ab 2026 unabhängige Verschreibungen ausstellen zu lassen und das Programm auf weitere Krankheitsbilder auszudehnen. Geplant ist auch eine stärkere digitale Vernetzung und die Einführung einer Selbstüberweisung, sodass Patienten direkt Apotheken aufsuchen können.