Kampf um letzte Stimmen

Trump sieht sich als „Vater der Befruchtung“ Laura Schulz, 03.11.2024 12:06 Uhr

Trump versucht mit seiner Position zum Thema künstliche Befruchtung besonders Frauen anzusprechen. Doch die trauen ihm nicht – und ziehen in zahlreichen Städten gegen ihn auf die Straße. Foto: Elke Hinkelbein
Greensboro/Washington - 

Es ist der Kampf um vielleicht entscheidende, wenige Zehntausend Stimmen: Im Endspurt vor der US-Wahl buhlen Kamala Harris und Donald Trump in North Carolina um genau die gleichen Wähler. Trump hat sich nun selbst als „Vater der Befruchtung“ bezeichnet. Seine Konkurrentin Harris lüge, wenn sie behaupte, er sei gegen künstliche Befruchtung, betonte Trump in einer Wahlkampfrede in Greensboro im umkämpften Bundesstaat North Carolina. „Ich betrachte mich als den Vater der Befruchtung.“

Der Republikaner Trump versucht mit dem Thema besonders Frauen und Familien anzusprechen. So kündigte er im Sommer an, dass die US-Regierung für künstliche Befruchtung, auch In-Vitro-Fertilisation (IVF) genannt, zahlen werde, sollte er die Präsidentenwahl am 5. November gewinnen. Alternativ sollten Versicherungen gezwungen werden, für die Behandlung aufzukommen – eine ungewöhnliche Position für Republikaner.

Das Thema ist in den USA umstritten, seit das Oberste Gericht des US-Bundesstaats Alabama Anfang des Jahres entschied, dass eingefrorene Embryonen als Kinder gelten. Mehrere Kliniken in dem südlichen Bundesstaat setzten daraufhin ihre entsprechenden Behandlungen aus, weil zu viele rechtliche Fragen offen waren. Das Urteil entspricht der von Abtreibungsgegnern vertretenen Theorie, dass Embryonen und Föten als Kinder zu betrachten sind und rechtlichen Schutz genießen.

Tausende Frauen demonstrieren gegen Trump

In der Hauptstadt Washington gingen bei einem „Women's March“ Tausende Frauen auf die Straße, um für Trumps Konkurrentin Harris zu werben. „Wir werden nicht zurückgehen“, hieß es auf Schildern und in Sprechchören, wie US-Medien berichteten. „Ich habe eine Botschaft an Ex-Präsident Trump: Wir glauben Ihnen nicht, dass Sie Frauen beschützen wollen“, zitierte die „Washington Post“ eine Rednerin.

Nach Angaben der Organisatoren sind rund 10.000 Menschen vor Ort gewesen. In weiteren Städten seien Tausende weitere auf die Straßen gezogen. Der „Women's March“ hatte erstmals 2017 nach der Amtseinführung Trumps stattgefunden. Damals demonstrierten allein in Washington Hunderttausende Menschen.

Endspurt: Harris und Trump buhlen um die gleichen Wähler

Innerhalb weniger Stunden traten sie keine hundert Kilometer voneinander entfernt auf – und griffen ihre Konkurrenz mit deutlichen Worten an. Trump sei „zunehmend instabil“, besessen von Rache und auf unkontrollierte Macht aus, warf Harris dem Republikaner vor. Trump nannte Harris ein „Individuum mit niedrigem IQ“.

North Carolina an der US-Ostküste gehört zu den hart umkämpften „Swing States“: Bei der Wahl 2020 konnte sich Trump haarscharf mit etwas mehr als einem Prozentpunkt vor dem späteren Präsidenten Joe Biden durchsetzen. In diesem Jahr sehen Umfragen in dem Bundesstaat ein sehr knappes Rennen voraus, mit einem hauchdünnen Vorsprung für Trump.

Insgesamt liegen Trump und Harris den Erhebungen zufolge dicht beieinander. Entscheidend wird der Wahlausgang in den sogenannten Swing States sein, wo sich deshalb auch der Wahlkampf in den letzten Tagen konzentriert.

Trump wittert Wahlbetrug

In einer Rede im Bundesstaat Virginia sprach Trump der US-Vizepräsidentin Harris die Fähigkeit zur Präsidentschaft ab. „Sie wird völlig überfordert sein, Zusammenbruch, und Millionen Menschen werden sterben“, sagte er für den Fall eines Wahlsiegs der Demokratin voraus. Es gebe Menschen, die unter Druck aufblühten – und solche, die dann in Depressionen verfielen.

Erneut schürt Trump kurz vor der Wahl bei seinen Anhängern die Erwartung, dass ihm ein Sieg nur durch Betrug genommen werden kann. „Lasst sie betrügen, denn das ist es, was sie tun“, sagte Trump über die Demokraten. Er sei zuversichtlich, nicht nur die Mehrheit der Wahlleute, sondern auch die Mehrheit der Wählerstimmen insgesamt zu gewinnen.

Nach der Wahl 2020 hatte Trump behauptet, der Sieg sei ihm durch großangelegten Wahlbetrug der Demokraten genommen worden sei. Dutzende Klagen des Trump-Wahlkampfteams scheiterten jedoch vor Gerichten. Es gab nie Hinweise auf Unregelmäßigkeiten, die den Ausgang der Abstimmung verändert hätten. Trump behauptet das aber weiterhin. Seine Äußerungen führten Anfang 2021 auch zum Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol in Washington, den Sitz des US-Kongresses.

Trump lobt seine „schöne weiße Haut“

Trump versuchte zudem gezielt, Frauen als Wähler zu umwerben. Man habe ihm geraten, Frauen nicht mehr „schön“ zu nennen, sagte der 78-Jährige. „Deshalb werde ich euch nicht sagen, wie schön ihr seid.“

Der republikanische Kandidat sprach auch erneut von seiner „schönen weißen Haut“. „Ich müsste heute Abend nicht bei euch sein“, sagte er. „Ich könnte an einem Strand sein, meine schöne weiße Haut würde schön gebräunt.“

Harris will bezahlbares Gesundheitswesen

Harris betonte, sie wolle die Steuern für die Mittelschicht senken und Preisabzocke durch Unternehmen verbieten. Sie werde für ein bezahlbares Gesundheitswesen sorgen. Als sie von lauten Rufen zum Gaza-Krieg unterbrochen wurde, betonte Harris: „So sieht Demokratie aus.“ Sie wolle für das Recht der Menschen kämpfen, ihre Meinung zu sagen. „Aber jetzt gerade spreche ich“, rief sie den Demonstranten zu.

Trump will Impfgegner Kennedy mit Kindergesundheit befassen

Trump will im Falle seiner Wahl zum US-Präsidenten den bekannten Impfgegner Robert F. Kennedy Jr. mit einer Rolle in der Gesundheitspolitik betrauen. Er werde „die besten Köpfe“ inklusive Kennedy mit der Verbesserung der Kindergesundheit beauftragen, sagte Trump kürzlich bei einem Wahlkampfauftritt im besonders umkämpften Bundesstaat Pennsylvania. Ziel sei, die Zahl der Krebs- und Depressionserkrankungen sowie Suizide von Kindern binnen vier Jahren zu halbieren. Trump sagte nicht, wie das erreicht werden solle – und machte auch keine Angaben dazu, welche Position genau für Kennedy vorgesehen sei.

Kennedy hatte zuvor laut einem Medienbericht vor seinen Anhängern verkündet, dass Trump ihm die „Kontrolle“ über das Gesundheitsministerium und das Agrarministerium zugesagt habe. Er wolle die Amerikaner unter anderem durch eine Abkehr vom flächendeckenden Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft gesünder machen, sagte Kennedy dem Sender CNN zufolge.

Kennedy war bei der Präsidentenwahl zunächst als unabhängiger Bewerber angetreten – zog seine ohnehin aussichtslose Kandidatur dann aber zurück und wechselte ins Trump-Lager, das er ansonsten wertvolle Stimmen hätte kosten können. Er stammt aus der prominenten Kennedy-Familie und war jahrzehntelang Demokrat – entfernte sich dann aber zunehmend von der Partei. Der erklärte Impfgegner wird nicht nur von Demokraten, sondern auch von Mitgliedern seiner Familie häufig kritisiert wegen der Verbreitung von Verschwörungstheorien und Kontakten zu rechtsextremen Politikern.