Statt Notdienst gibt es Gammelhai Hanna Meiertöns, 25.12.2022 09:32 Uhr
Weihnachten auf Island: Apothekerin Lisa Dombrowe lebt seit 2011 auf der Vulkaninsel und erlebt nicht nur das Apothekenwesen, sondern auch das Weihnachtsfest anders als in ihrer deutschen Heimat.
Dombrowe wohnt in Siglufjörður und arbeitet dort als angestellte Apothekerin in einer kleinen Dorfapotheke. Zuerst war sie als Jugendliche im Urlaub auf der Insel gewesen, nach dem Abitur kehrte sie erstmal für einen Monat wieder dorthin zurück.
Pharmazie studierte sie in Frankfurt, aber schon während des Studiums fing sie an, Isländisch zu lernen. Nach den verpflichtenden ersten sechs Monaten ihres Praktischen Jahres in einer öffentlichen Apotheke in Deutschland ging sie für die zweite Hälfte wieder zurück nach Island. „Das war eine ganze Menge Papierkram“, so Dombrowe, sowohl die Anerkennung des Praktikums im nicht-EU-Ausland als auch später die Anerkennung ihrer Approbation in Island.
E-Rezept ist Apothekenalltag
Vor Ort vermittelte ihre Chefin ihr eine Privatlehrerin für Sprachunterricht, sodass sie nach drei Monaten mit der Sprache schon einigermaßen zurechtgekommen sei. Die jungen Isländer könnten sich auch leicht auf Englisch verständigen, aber gerade in der älteren Generation, aus der die Apothekenkundschaft vorwiegend besteht, sei das nicht ganz so leicht. Das E-Rezept und auch die elektronische Identität sind seit über fünf Jahren ein fester Bestandteil des Apothekenalltags.
Seit 2011 ist sie dort und die isländischen Winter- und Weihnachtstraditionen, sind nicht spurlos an ihr vorbeigegangen. Auch einige deutsche Traditionen habe sie beibehalten, sodass sie mit ihrem isländischen Partner ein deutsch-isländisches Weihnachtfest verbringe.
„Bisher liegt leider nur sehr wenig Schnee“, bedauert Dombrowe, vor drei Jahren sei der Winter besonders stark gewesen: „Da waren wir insgesamt etwa 50 Tage eingeschneit, das heißt, die Zufahrtsstraßen waren zu und keiner konnte raus, aber Ware kam zum Beispiel auch nicht.“ Zum Glück waren es keine zusammenhängenden 50 Tage und Arzneimittellieferungen vom Großhandel kämen sowieso nur dreimal pro Woche, diese werde genau wie die Direktware mit der Post ausgefahren.
Ohne Auto gehe auch privat nichts, der Bus fahre unter der Woche lediglich drei Mal am Tag, samstags gar nicht und am Sonntag einmal. Generell seien die öffentlichen Verkehrsmittel auch sehr teuer, ein Inlandflug in die Hauptstadt koste genau so viel wie das Busticket dorthin, dauere aber nur einen Bruchteil der Zeit. In der Hauptstadt hätten die Apotheken zuweilen von 8 bis 24 Uhr geöffnet, in ihrer Dorfapotheke arbeite sie unter der Woche nur zwischen 10 und 17 Uhr, an Samstagen von 12 bis 14 Uhr. Diese erreiche sie zum Glück innerhalb von drei Minuten zu Fuß.
23. Dezember umsatzstärkster Tag im Jahr
Während einer der umsatzstärksten Tage im Jahr in vielen anderen Ländern wohl der Black Friday Ende November sein dürfte, ist es in Island der 23. Dezember – Þorláksmessa. An diesem Tag haben die meisten Geschäfte und auch die Apotheke bis 22 Uhr geöffnet und der Umsatz übersteigt den Durchschnitt um das Vier- bis Fünffache, erzählt sie. Besonders Kosmetik und Parfums würden viel gekauft, um beides am nächsten Tag zu verschenken. Drogerieprodukte gehören auch in das Sortiment der Dorf-Apotheke, angeblich hätte es dort früher sogar Hunde- und Katzenfutter zu kaufen gegeben, so Dombrowe.
Eine weitere Tradition am 23. Dezember ist der Verzehr von fermentiertem Rochen oder auch „Gammelhai“, so Dombrowe, „das schmeckt nicht so schlimm wie es riecht“, aber ein Genuss sei es wohl nicht. Viele Isländer würden behaupten, dass das Weihnachtsessen am nächsten Tag dadurch aber noch besser schmecken würde.
Keine Notdienste auf der Insel
Die Gefahr, dass sie an Weihnachten einen Notdienst ableisten muss, besteht für Dombrowe nicht: In Island gibt es keine Notdienste für Apotheken – stattdessen ist das Krankenhaus in der Nähe mit einer Notdienstschublade ausgestattet, an der sich der Arzt oder die Ärztin bedienen kann. Rezepte werden dann erst im Nachhinein ausgestellt und an die Apotheke übermittelt, um die Bestände wieder aufzufüllen.
In den Regalen in der Apotheke wurden in der Adventszeit Weihnachtswichtel verteilt und im Verkaufsraum Lichterketten aufgehängt. „Die Energie- und Strompreise sind hier nicht gestiegen, da wir hier kein Gas nutzen sondern Geothermie oder Wasserkraft“, erzählt sie, außerdem seien die dunklen Zeiten so lang, dass sich das Aufhängen der Lichterketten besonders lohne. Auch zuhause habe sie geschmückt.
Während in Deutschland in vielen Haushalten an Heiligabend der berühmte Kartoffelsalat mit Würstchen auf den Tisch kommt, wird in Island an Heiligabend groß gegessen. Die Bescherung gibt es danach auch. Normalerweise werde ein großes Stück Fleisch, zum Beispiel Lamm oder ein Rücken oder teilweise auch Gänsebraten gegessen.
So aufwendig wie das Fleisch zubereitet sei, umso mehr werde bei den Beilagen an Mühe gespart. Typische Beilagen seien dabei Rotkohl, Erbsen oder sogar Mais, „aber es gibt hier keine Tradition zur Zubereitung von Gemüse“, berichtet sie und lacht: „Es wird einfach kalt aus Dose oder Glas in eine hübsche Schüssel gekippt und auf den Tisch gestellt“. Die Alternative sei, es so lange in Wasser zu kochen, bis jeglicher Geschmack verschwunden sei.
Kartoffelsalat und Lammfleisch
Auch Dombrowe reicht an Heiligabend noch immer Kartoffelsalat, dazu gibt es aber statt Würstchen geräuchertes Lammfleisch, diesen Kompromiss müsse sie für ihren isländischen Partner eingehen.
Auch Backen habe hier Tradition – „eine gute isländische Hausfrau backt 12 verschiedene Sorten“ heißt es laut Dombrowe auf der Insel, sie selbst backe aber nicht. Das Schöne an Island sei vor allem die Natur, Wandern und Berge habe sie schon immer geliebt. Sie müsste jetzt nur fünf Minuten mit dem Auto fahren, um Ski fahren zu gehen. Auch vor der Arbeit könne sie einfach auf den nächsten Berg steigen für eine kleine Wanderung. Dass dafür der Weg zum nächsten Kino 80 Kilometer weit ist, stört sie nicht: „Ist halt Landleben“, so die Auswanderin.
An Neujahr werde in Island wieder besonders viel geböllert werden, erwartet sie, neben vielen einzelnen Raketen seien besonders große Batterien mit bis zu 100 Schuss beliebt.