Spaniens Feldzug gegen die Globuli Tobias Lau, 02.01.2019 13:25 Uhr
Spanien will alternativmedizinische Behandlungsmethoden aus dem Gesundheitswesen verbannen. Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez begann Ende des Jahres, einen Vier-Stufen-Plan gegen sogenannte Pseudo-Therapien umzusetzen, laut dem Homöopathie, Akupunktur & Co. aus Praxen und Universitäten verschwinden sollen. Auch die EU soll sich beteiligen und auf europäischer Ebene ähnliche Schritte einleiten, verlangt die Regierung – beißt aber in Brüssel auf Granit.
„Öffentliche und private Einrichtung, die Pseudo-Therapien anbieten, werden sich nicht mehr Gesundheitszentren nennen können“, kündigte Gesundheitsministerin Maria Luisa Carcedo an. „Die Präsenz an solchen Orten vermittelt den Eindruck, dass sie einen therapeutischen Nutzen haben. Zuallererst müssen wir klarstellen, dass sie das nicht haben. Und wenn sie das nicht haben, macht es auch keinen Sinn, dass sie dort angeboten werden.“ Und die Ministerin wurde bei der Vorstellung des Aktionsplans noch deutlicher: Alternativmedizinische Behandlungsmethoden wie die Homöopathie „beeinflussen die Gesundheit negativ, indem sie Krankheiten verlängern, neue hervorrufen oder sogar das Sterberisiko erhöhen“, indem sie „Personen dazu ermutigen, die Einnahme konventioneller Medizin zu ersetzen oder zu verzögern, deren Sicherheit und Wirksamkeit erwiesen ist“.
Wie in Frankreich, Großbritannien und Österreich geraten Homöopathen nun also auch in Spanien zunehmend in die Defensive. Das Regierungsprojekt unter dem Titel „Plan zum Schutz der Gesundheit vor Pseudo-Therapien“ besteht aus vier Komponenten: Der erste sieht öffentliche Aufklärung vor. So hat die Regierung eine Kommunikationsstrategie ausgearbeitet, „die Informationen schaffen und verbreiten soll, die auf dem aktuellen Wissenstand und wissenschaftlicher Evidenz basieren“. Laut Regierung nehmen zwei Millionen Spanier homöopathische Arzneimittel anstelle von konventioneller Medizin. Diese hohe Verbreitung stelle eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit dar.
Der zweite Schritt sieht eine Änderung im Arzneimittelrecht vor, die eine „Irreführung der Öffentlichkeit“ verhindern soll. So werden Gesundheitseinrichtungen verpflichtet, Patienten darüber zu informieren, dass alternativmedizinische Methoden nach wissenschaftlichen Standards nicht wirksam sind. Für Homöopathika soll eine Kennzeichnungspflicht eingeführt werden: Ähnlich den Schriftzügen auf Zigarettenschachteln sollen Globulipackungen einen Warnhinweis erhalten, dass Homöopathika keine wissenschaftlich nachweisbare Wirkung haben. Umgehen lässt sich das durch eine Registrierung und Wirksamkeitsüberprüfung. Außerdem sieht die Gesetzesänderung ein Werbeverbot für alternativmedizinische Produkte, Dienstleistungen oder Veranstaltungen vor.
Die dritte und vierte Maßnahme zielen auf das medizinische Personal. So soll künftig sichergestellt werden, dass in Gesundheitseinrichtungen nur noch Personal mit „offiziell anerkannten Qualifikationen“ beschäftigt werden darf. Damit wäre beispielsweise Heilpraktikern der Eintritt verwehrt. Dass die nicht mehr anerkannt werden können, soll der vierte Schritt sicherstellen. Er zielt auf die Universitäten: Alle Hochschulabschlüsse, in deren Curriculum sich „Pseudo-Therapien“ finden, die nicht auf wissenschaftlicher Evidenz basieren, sollen abgeschafft werden. Welche das sind, soll ein Gutachten klären.
Den Maßnahmen vorausgegangen war eine Kampagne von 400 Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Gesundheitswesen. In einer Petition an Gesundheitsministerin Carcedo hatten sie ein härteres Vorgehen gefordert: „Um es klar zu sagen: Pseudowissenschaft tötet“, hieß es dort. Neben einem härteren Vorgehen gegen Ärzte, die „durch das Anbieten von Pseudo-Therapien gegen die medizinische Ethik verstoßen“ fordern die Unterzeichner auch eine Gesetzesänderung, die den Verkauf homöopathischer Mitteln in Apotheken erschwert oder verhindert. Auslöser für die Initiative waren mehrere öffentlich gewordene Fälle von Patienten, die schwerwiegende Erkrankungen alternativmedizinisch behandeln ließen und schließlich daran starben.
Doch der Feldzug der spanischen Regierung gegen die Alternativmedizin soll sich nicht auf die iberische Halbinsel beschränken. Einem Bericht der spanischen Tageszeitung El País zufolge haben Vertreter der Regierungspartei PSEO versucht, bei der Europäischen Kommission eine Anpassung der Richtlinie zu homöopathischen Arzneimitteln zu erreichen, das die jetzige Rechtslage eine Gefahr für die Patienten darstelle. Sie erhielten eine Abfuhr. „Die Kommission beabsichtigt derzeit nicht, die Rechtsvorschriften für homöopathische Arzneimittel zu bewerten oder zu ändern“, hieß es dazu von Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis. Es stehe den Mitgliedsstaaten aber weiterhin frei, „auf nationaler Ebene Maßnahmen zu ergreifen, um auf die Besonderheiten homöopathischer Arzneimittel aufmerksam zu machen“.