Griechenland

Sozialapotheken: Neue Wege aus der Krise

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Berlin -

Griechenland hat sich buchstäblich krank gespart: Die von der Troika auferlegte Sparpolitik hat in den vergangenen fünf Jahren zu drastischen Kürzungen im Gesundheitswesen geführt. Die staatlichen Ausgaben für Medikamente wurden um die Hälfte zusammengestrichen. Viele Griechen sind gezwungen, selbst lebensrettende Therapien abzubrechen – schlicht weil sie sich die erforderlichen Medikamente nicht leisten können. In Zeiten der Krise aber wächst das bürgerliche Engagement: Seit drei Jahren sprießen überall im Land Sozialapotheken, in denen Arbeitslose und Bedürftige mit gespendeten Arzneimitteln versorgt werden.

Landesweit gibt es mittlerweile rund 50 Sozialapotheken, diese sind häufig an soziale Kliniken angeschlossen. Irene Agathopoulou hat in der nordgriechischen Stadt Kiklis mehrere Sozialapotheken mitbegründet. Die 28-jährige Apothekerin ist Jungpolitikerin der Linkspartei Syriza. Etwa 800 Menschen in der Region seien auf Versorgungskonzepte wie ihres angewiesen, sagt sie der Deutschen Welle. Dort erhielten die Betroffenen von Antibiotika über Betablocker bis hin zu Chemotherapeutika alles, was für sie in einer öffentlichen Apotheke unerschwinglich wäre.

Seit der Krise müssen die Griechen immer öfter selbst in die Tasche greifen, wenn sie ihr verschreibungspflichtiges Medikament aus der Apotheke holen. Die größte Krankenkasse des Landes, Eopyy, weist – wegen ausbleibender Zahlungen des griechischen Staates – Außenstände gegenüber Apothekern, Pharmakonzernen und privaten Kliniken in Höhe von 1,5 Milliarden Euro auf. Die Pharmazeuten haben in den vergangenen Jahren mehrmals gestreikt, um auf die Probleme aufmerksam zu machen.

Nicht jeder Grieche ist aber in der Lage, für seine Medikamente im Voraus zu zahlen. Die Gehälter und Renten sind in den vergangenen Jahren stark gesunken, fast jeder Dritte ist arbeitslos. Nach einem Jahr ohne Job erlischt aber auch der Anspruch auf die gesetzliche Krankenversicherung – etwa drei Millionen Griechen sind zur Zeit nicht krankenversichert.

Es vergehen zudem oft Monate, bis die Kassen das Geld für die Medikamente zurückerstatten. Arzneimittel, die als teuer eingestuft wurden, sind über das nationale Gesundheitssystem praktisch gar nicht mehr erhältlich. Dies betrifft vor allem Chemotherapeutika und HIV-Medikamente.

Umso mehr sind soziale Einrichtungen gefragt. Die Sozialapotheken werden ehrenamtlich von Apothekern geleitet, die meisten davon sind Pensionäre. Ihnen steht meist ein kleines Team von Ehrenamtlichen zur Seite, die die Medikamente vor allem bei privaten Spendern einsammeln. „Wir haben bei Familien von verstorbenen Patienten nach Arzneimitteln gefragt, die nicht mehr gebraucht werden – von Salben bis hin zu Krebsmedikamenten“, so Agathopoulou.

Bei den angebrochenen Medikamenten sind Tabletten oder Kapseln interessant, da diese im Regelfall noch verblistert sind. Wichtigstes Kriterium ist bei allen Medikamenten aber das Mindesthaltbarkeitsdatum. Abgelaufene Präparate nehmen Agathopoulou und ihre Mitstreiter erst gar nicht an: Zu hoch sei das Risiko. Abgeben dürfen sie Medikamente aber auch ohne Rezept, die Vorschriften hierfür sind in Griechenland recht lax.

Der Ansturm auf die Sozialapotheken ist hoch, aber nicht überall sind sie auch geduldet. Vermehrt gingen bei der Polizei in der Vergangenheit anonyme Beschwerden ein. Oft wurden Sozialapotheken daraufhin durchsucht und zeitweise auch geschlossen. Den Mitarbeitern wurde unterstellt, einen illegalen Drogenhandel zu betreiben – Vorwürfe, die sich durchgehend als haltlos entpuppten. Vom Staat würden Sozialapotheken geduldet, schließlich verhinderten sie eine Verschlimmerung der Krise im Gesundheitswesen, so Agathopoulou. Mittlerweile erhält die Apothekerin viele Anfragen – auch aus Deutschland.

Hierzulande ist das Spenden von Altmedikamenten zwar illegal, aber es gibt eine Reihe von Verbänden und Privatleuten, die Geld für griechische Sozialapotheken sammeln. Dies zeigt auch das Beispiel von Franz Lohbusch. Der 62-Jährige aus dem Nordrhein-Westfälischen Viersen lief im November seinen zweiten Marathon in Athen, verbunden mit einem guten Zweck: Die Geldspende von über 1000 Euro floss an eine Sozialapotheke in Athen.

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