Sorgen über Akzeptanz von Impfstoff in Großbritannien dpa, 03.12.2020 15:24 Uhr
Die britische Regierung feiert die rasche Zulassung eines Corona-Impfstoffs. Doch es gibt Befürchtungen, das eilige Verfahren könnte Zweifel an der Sicherheit der Impfungen wecken. Auch die Verteilung des Impfstoffs ist nicht einfach.
Nach der Nachricht über die rasche Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer in Großbritannien wachsen die Sorgen über die Akzeptanz in der Bevölkerung. Der stellvertretende medizinische Chefberater der Regierung für England, Professor Dr. Jonathan Van-Tam, versuchte am Mittwoch in der BBC, Zweifel an der Sicherheit des Präparats zu zerstreuen. Er selbst habe seiner 78 Jahre alten Mutter dringend empfohlen, sich impfen zu lassen. Er sei „sehr überzeugt“ von der Bewertung durch die britische Arzneimittelbehörde MHRA.
Die Behörde hatte am Mittwoch dem Mainzer Pharma-Unternehmen Biontech und seinem US-Partner Pfizer eine Notfallzulassung für deren Corona-Impfstoff erteilt. Großbritannien ist damit das erste Land überhaupt, das dem Impfstoff eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hat. Britische Experten versichern, dass die Prüfung äußerst gründlich erfolgte. Die britische Regierung hofft durch die Impfungen auf eine drastische Reduzierung der Todesfälle bei Corona-Infizierten. Die erste Phase des Immunisierungsprogramms soll bereits kommende Woche beginnen und vor allem auf ältere und geschwächte Menschen sowie Bewohner von Pflegeheimen zielen. Es handle sich um die größte Massenimpfung in der Geschichte Großbritanniens.
„Wir könnten theoretisch 99 Prozent der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 eliminieren“, sagte Van-Tam. Voraussetzung sei, dass die Impfung auf hohe Akzeptanz in der Bevölkerung stoße. Premierminister Boris Johnson wollte noch am Donnerstag in einer Facebook-Fragestunde auf Fragen und Sorgen der Bevölkerung eingehen. Eine Umfrage kurz vor der Zulassung des Impfstoffs hatte ergeben, dass knapp 70 Prozent der Briten zu einer Impfung bereit wären. Van-Tam warnte auch vor Euphorie und Nachlässigkeit im Umgang mit der Pandemie. „Wir müssen sicherstellen, dass die Leute verstehen, dass dies kein unmittelbarer Ausweg von irgendetwas ist“, so der Wissenschaftler. Man habe noch einige harte Wintermonate vor sich. Die Menschen müssten die Abstandsregeln befolgen – egal, ob sie eine Impfung erhalten hätten oder nicht.
Noch am Donnerstag sollten die ersten Dosen des Impfstoffs in Großbritannien eintreffen. Bereits zuvor hatte die Regierung eingestanden, dass die Verabreichung in Pflegeheimen aufgeschoben werden muss. Die Impfungen sollen zunächst in 50 Kliniken im Land verabreicht werden, erklärte Simon Stevens vom Gesundheitsdienst NHS (National Health Service). Später sollen Arztpraxen hinzukommen. Anfangs seien wegen der komplizierten Lagerung bei minus 70 Grad nur Einheiten mit 975 Dosen verfügbar. Sobald ein Weg gefunden sei, die Impfdosen auf sicherem Wege in kleinere Einheiten zu unterteilen, könne mit dem Impfen in Pflegeheimen begonnen werden.
Die Regierung, die bisher für ihren Umgang mit der Pandemie viel Kritik einstecken musste, feierte die Zulassung als Erfolg. Bildungsminister Gavin Williamson sagte im Radio, Großbritannien sei in der Lage gewesen, den Impfstoff als erstes Land zuzulassen, weil es „offensichtlich die beste Arzneimittelbehörde hat“. Diese sei „viel besser“ als die Frankreichs, Belgiens oder der USA. „Das überrascht mich auch überhaupt nicht, weil wir ein viel besseres Land sind als jedes einzelne von denen, nicht wahr?“
Ein Sprecher der EU-Kommission machte hinsichtlich dieser Äußerungen deutlich, dass es sich beim Kampf gegen die Pandemie „nicht um einen Fußball-Wettbewerb“ handle. „Wir reden hier über das Leben und die Gesundheit von Menschen.“ Für die Zulassung von Medikamenten habe man in der EU ein hoch entwickeltes System, das nebenbei gesagt auch noch für das Vereinigte Königreich gelte. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte betont, Deutschland habe sich bewusst dagegen einen Notfallzulassung entschieden, um gründlicher prüfen zu können.